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Ehingen-Granheim - Rassehühner mit blauen Füßen leben auf dem Bio-Hof Rapp in Ehingen-Granheim. Äcker werden mit Aktivkohle versetzt und die Wiesen suchen in ihrer Artenvielfalt landesweit ihresgleichen. Was ist das für ein Bauer, der ohne Pflug auskommt und Regenwürmer ungestört arbeiten lässt?

 

Der Biohof der Familie Rapp liegt am Rand von Granheim, einem Ortsteil von Ehingen im Biosphärenreservat auf der Schwäbischen Alb. Landwirtschaftsmeister Dietmar (51) und sein Sohn Timo (23) Landmaschinen-Mechaniker bewirtschaften im Nebenerwerb Acker- und Grünland. Seit vier Jahren leben auch über 350 Hennen und einige Hähne am Rand der 280-Seelen-Gemeinde. Die Tiere der französischen Rasse „Les Bleues“, eine Zweinutzungsrasse, wurden nicht einseitig auf ein Leistungsmerkmal, also Eierlegen oder Fleischmast, gezüchtet. Im hellen Stall haben die Tiere viel Platz. Wegen der zweistelligen Minustemperaturen und der geschlossenen Schneedecke haben sie derzeit keinen Freilauf. Sind in konventionellen Betrieben zehn Hühner pro Quadratmeter erlaubt, in Bio-Betrieben sechs, so leben hier nur 1,6 Tiere pro Quadratmeter. Die munteren Tiere in der hellen Halle haben weiße Federn und blaue Beine. Zusammen mit dem roten Kamm präsentieren sie sich gackernd in den Farben der Tricolore. Während Hybridhühner, die entweder fürs Eierlegen gezüchtet wurden oder dafür, schnell Fleisch anzusetzen 300 Eier im Jahr legen und Hochleistungsfutter erhalten, legen Rapps Hennen nur 200 Eier pro Jahr. Ihr Mist wird für die Kompostherstellung genutzt. „Sie fressen Erbsen, Ackerbohnen, Weizen, Gerste, Hafer und Grünmehl“, erläutert Dietmar Rapp. „Am liebsten mögen sie Blumenwiesenheu“. Danach duftet es herrlich noch im Februar in der Scheune, die wir auf dem Weg zum Geflügel passieren.

 

DSC 0002Biobauer Dietmar Rapp hält glückliche Hühner und viele Wildblumen.                 

 

Über 60 Wildblumen wachsen auf diesen vielseitigen Wiesen. Rapp freut sich, wenn Passanten anhalten und sich kurz vor der Mahd Ende Juni ein Sträußchen pflücken. Überhaupt freut sich der freundliche Landwirt viel. Dass sein Sohn so begeistert mitarbeitet, dass sein Verkaufsstand mit Eiern, Eierlikör, Honig und Mehl vor der Scheune so gut angenommen wird. Dass er aktuell fünf Prozent Humus auf den Äckern hat und es in acht bis zehn Jahren acht Prozent sein werden (im bundesweiten Durchschnitt kommen die Bauern gerade mal auf zwei Prozent). Er freut sich über die Erfolge mit der Aktivkohle, von der auf dem Feld ein Kilo satte fünf Liter Wasser speichern kann. Holz aus der Landschaftspflege und seinem Birkenhain, den er im Wald angelegt hat, wird in einem speziellen Kessel im Freien in Aktivkohle umgewandelt. „In einer Stunde sind 200 Kilo fertig, das macht Spaß“, strahlt er.

 

Ich muss den Acker nicht ausquetschen
Das gesamte Grünland im Betrieb wird extensiv bewirtschaftet und weist eine überdurchschnittliche Artenvielfalt auf. Der Betrieb nahm 2015 an der Wiesenmeisterschaft im Biosphärengebiet teil und hat in der Kategorie „Artenreiche Magerwiesen“ den ersten Preis gewonnen. Das Heu enthält eine Fülle wertvoller Heilpflanzen und wirkt als natürliches Arzneimittel für Tiere. Aus diesem Heu, das immer im Nu zum doppelten Preis von normalem Heu verkauft ist, kocht er auch „Heu-Tee“, den er zehnfach verdünnt auf die Äcker spritzt. „Ich muss den Acker nicht ausquetschen“, weiß der Naturfreund, der seit 28 Jahren pfluglos arbeitet. Beim Rundgang auf dem idyllisch gelegenen, Mitte Februar verschneiten Hof, zeigt er auch seinen Maschinenpark. Der ist vergleichsweise bescheiden. Achtet er doch darauf, mit möglichst leichtem Gerät der Bodenverdichtung entgegen zu wirken. Er versucht stets, den Boden nicht tiefer als fünf Zentimeter zu bearbeiten, schon, um die darunter liegenden Regenwurmgänge, die für Belüftung und Wasserdurchlässigkeit sorgen, nicht zu zerstören.
Die Zukunft der Landwirtschaft liegt für Dietmar Rapp darin, dass die Bauern die Sprache der Natur wieder besser zu verstehen lernen und es zu deuten wissen, wenn bestimmte Pflanzen verstärkt auftreten. Dann kann man auch mit nachhaltigen Methoden und ohne Chemie darauf reagieren. Wenn ein gewisses Gleichgewicht erreicht ist, kehrt die Vielfalt zurück. „Ich will die anderen Bauern nicht verteufeln, die hocken alle in ihrem Hamsterrad“, betont er und ist froh, selbst nicht auf Subventionen angewiesen zu sein. Seine Fixkosten sind relativ gering, er kauft bevorzugt gebrauchte Maschinen, die sein Sohn als Landmaschinenmechaniker den Erfordernissen des Hofes anpassen kann. Das alte Bauernhaus sowie das am Hang stehende verputzte neuere Holzhaus werden mit Holz aus dem eigenen Wald geheizt, Photovoltaik sorgt für Strom und Warmwasser.

 

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„Les Bleues“: roter Kamm, weißes Gefieder und blaue Füße, damit trägt die französische Hühnerrasse die französischen Nationalfarben.

 

Dietmar Rapp bewirtschaftet seine Flächen ohne Pflug. Schon sein Vater hatte vor mehr als 40 Jahren den Boden zeitweise ohne Pflug bearbeitet. Das bewährt sich. „2003 gab es bei uns eine Trockenheit. Die Nachbarn konnten sehen, dass meine Böden mindestens 14 Tage länger Wasser hatten. Dann haben zwei oder drei von denen auch auf pfluglos umgestellt.“ Über diese Methode diskutiert er mit der Berliner Gesellschaft für konservierende Bodenbearbeitung e.V. und mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds der Bio-Stiftung Schweiz. Mittlerweile ist Dietmar Rapp selbst durch seine langjährige pfluglose Bodenbewirtschaftung ein gefragter Ratgeber unter Kollegen. Auch mit vielen Kunden ist er zu Themen von Natur und Landwirtschaft in engem Austausch, da er in vielen Naturschutzprojekten aktiv ist. Er hat schrittweise umgestellt, weiß er doch, dass man im dritten Jahr nach der Umstellung auf pfluglose Bodenbearbeitung mit einem Hungerjahr rechnen muss. Der Stickstoff wird dann vom Boden für den Humusaufbau verwendet und steht für die Pflanzen nicht als Nährstoffquelle zur Verfügung. Aber wenn man das dritte Jahr übersteht, dann geht es gut.
Dietmar Rapp will demnächst auf seinem Hof einen Holzbackofen bauen, neben dem alten Haus, wo derzeit noch das Klettergerüst seiner vier Kinder steht. Dann kann auf dem eigenen Hof gebacken werden mit dem frisch gemahlenen hofeigenen Getreide. In Sichtweise des Verkaufshäusles, das seine Mutter mit den braunschaligen Eiern der blaufüßigen Hühner versorgt. Übrigens hatte er noch nie Schwierigkeiten, dass Kunden das Vertrauen missbrauchten und zu wenig Geld in die Kasse legten.
An einer Wand fallen große Insektenhotels ins Auge. Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge können hier die Brutröhren für ihren Nachwuchs nutzen. Eines davon bauten Grundschulkinder, ein anderes Geflüchtete, die im Ort wohnen. An die kleine Feier nach Fertigstellung der Bruthilfen erinnert sich Rapp gerne. Er ist eben auch ein Menschenfreund.
Unglaublich, dass die Rapps alles im Nebenerwerb bewältigen. Natürlich fällt auch im Winter außer der Tierversorgung viel Arbeit an. Derzeit reinigen sie Getreide in einer 70 Jahre alten Maschine, die mit einem ausrangierten Motor einer Zahnarztpraxis ertüchtigt wurde, und packen es in Papiertüten ab. Nebenher renovieren sie die Nebenräume der Scheune. Aber Arbeit ist für Dieter Rapp sowohl bei den Stadtwerken Biberach als auch auf dem Hof nicht nur Pflicht sondern Quell der Freude. „Und zum Glück ist auch mein Sohn Timo so schaffig“, freut er sich. Dabei schaut der Landwirtschaftsmeister durchaus gerne über den Tellerrand. Fährt etwa zu Kongressen des Bodenfruchtbarkeitsfonds in die Schweiz und gönnt sich sogar jährlich einen Urlaub. Am liebsten am Gardasee. Derweil arbeiten schließlich die Regenwürmer für ihn.

 

Text und Fotos: Andrea Reck

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