Ummendorf - Und der Weg beginnt mit dem ersten Schritt. 17 Männer und zwei Frauen haben sich vor drei Jahren auf den Weg gemacht, die Geschichte eines kleinen Flecken Erde aufzuschreiben. Herausgekommen ist ein stattliches Buch mit 388 Seiten und fast 500 Fotos. Die Geschichte der Gemeinde Ummendorf erzählt in 48 Kapiteln, beginnend lange bevor es die beiden Orte Ummendorf und Fischbach gab, bis zum abschließenden und aktuellsten Foto, das im Frühjahr diesen Jahres entstand. Der Fotograf Volker Strohmaier ist wie die meisten seiner schreibenden MitstreiterInnen Ummendorfer, zumindest ist er dort geboren. So auch Johannes Lutz, der Initiator des historischen Projekts. Mit dem Mann, den alles interessiert, sprach BLIX über das Werk: „Ummendorf. Landschaft. Geschichte. Gesellschaft“.
Herr Lutz, es dauerte länger als drei Schwangerschaften bis das neue Gemeindebuch zu Ummendorf erschien. Nun ist es auf der Welt und erhältlich. Wie ist das Gefühl, das Werk in Händen zu halten?
Es ist ein schönes Gefühl, ich bin glücklich und dankbar. Die Anstrengungen aller Beteiligten haben sich gelohnt. Es ist ein Unterschied, ob man ein Buch nur vom Bildschirm kennt oder ob man es in den eigenen Händen hält. Ein neugeborenes Kind will man auch in den Händen halten und mit allen Sinnen erfassen. Das Buch fühlt sich sehr wertig an und strahlt visuell eine große Leichtigkeit und Lebendigkeit aus.
Was motivierte Sie zu dieser Kraftanstrengung?
Seit Erscheinen des letzten Gesamtwerkes von Pfarrer Albert Angele über Ummendorf sind 66 Jahre vergangen. Die Ansprüche an ein Buch über eine Gemeinde sind heute andere. Demnächst feiern Ummendorf und Fischbach Goldene Hochzeit. Der Ortsteil Fischbach wird in diesem Band mit vielen Artikeln bewusst sehr ausführlich beschrieben, da wir eine Gemeinde sind. Zwischenzeitlich sind viele Einzelwerke über bestimmte Themen des Dorflebens von verschiedenen Autoren erschienen. Diesen fähigen Autorenpool zusammen zu führen, war eine spannende Aufgabe.
Geschafft! Johannes Lutz, der von sich behauptet, immer noch ein neugieriges Kind zu sein, hält die Mühen seiner Arbeit stolz in Händen. Der 64-jährige Brennermeister ist tief verwurzelt in seiner Heimatgemeinde, in der er sich auch schon Jahrzehnte in der Kommunalpolitik engagiert. Und er ist überzeugt: „Lesen gefährdet die Dummheit.“ Foto: privat
Sie waren Initiator des Buches und sind einer von insgesamt 19 Autoren, die meisten davon sind Bürger der Gemeinde. Das ist eine erstaunliche Tatsache, hinter der sich viel Teamgeist verbirgt. Wie sehr hat neben der Kompetenz die Heimatverbundenheit zum Gelingen des Buches beigetragen?
Alle Autorinnen und Autoren haben einen Bezug zu Ummendorf. Diese Dichte ist natürlich ein Glücksfall für die Gemeinde. Nach einer ersten Sondierungsversammlung kam eine unerwartete Dynamik in das Projekt. Man war sich einig nach dem Motto: ‚Wenn nicht jetzt, wann dann?‘ Wenn der abgedroschene Spruch ‚Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle‘ seine Berechtigung hat, dann hat neben der Fachkompetenz sicher die Heimatverbundenheit eine starke Rolle gespielt. Wir sahen uns auch als Bürgerinitiative der etwas anderen Art, wir haben für unsere Gemeinde etwas getan.
Welch glücklicher Umstände bedurfte es sonst noch, dass dieses 388 Seiten starke Buch erscheinen konnte?
Die richtigen Leute zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle.
Welches Thema ist Ihr Steckenpferd und warum?
Schwierig, ich war ein neugieriges Kind und konnte meine Neugierde für Zusammenhänge in meinem Umfeld ins Erwachsenenalter rüberretten. Mich interessiert der grün gefärbte Wackenstein vom Julierpass in der Schweiz, den die Eiszeiten vor unsere Haustüre transportiert haben, genauso wie ein Briefbogen einer untergegangenen Firma vor Ort. Die fleischfressende Pflanze Sonnentau im Ummendorfer Ried ist ebenso spannend wie zu wissen, wie hoch der mächtige Kirchturm St. Johannes Evangelist ist. Alles hat einen Zusammenhang. Und hinter den vielen Geschichten stecken meistens menschliche Schicksale in diesem Mikrokosmos Ummendorf.
Oben: Die historische Aufnahme zeigt Fischbach mit Blick nach Ummendorf, das Dorf an der Umlach gehört seit 1972 zur Gemeinde Ummendorf. Unten: Die Luftaufnahme von Ummendorf zeigt den Blick vom Friedhof in Richtung Jordanbad. Foto: Volker Strohmaier
Das Buch spannt den Bogen von der Naturgeschichte über die wechselhaften Zeiten und Abhängigkeiten von den verschiedensten Obrigkeiten bis hin zur Gegenwart der Gemeinde, die seit 1972 aus Ummendorf und Fischbach besteht. Gibt es in dieser langen Geschichte eine Zäsur und/oder eine Person, die für Sie von ganz besonderer Bedeutung ist?
Von besonderer Bedeutung für mich ist Pfarrer Hofele, der von 1880 bis 1902 im Ummendorfer Schloss residierte. Er war ein universell gebildeter umtriebiger Mensch mit vielen Facetten, man konnte wirklich von einem Pfarrherrn sprechen. Sein Wirken hat bis zum heutigen Tag Spuren in unserem Dorf hinterlassen. Mehr will ich nicht verraten, ich will ja, dass das Buch gekauft und gelesen wird.
Geschichte ist ein Prozess, der von Menschen mitgestaltet und gedeutet wird. Wie sieht Ihr persönliches Fazit am Ende des Werkes aus?
Mir ist nochmals klar geworden, dass die Nachkriegsentwicklung in Deutschland mit einer 75-jährigen Friedensperiode wohl eher die Ausnahme als die Regel ist. Ein Dreivierteljahrhundert mit ungeheurem Wohlstandszuwachs verbunden mit Umweltzerstörungen in historischen Dimensionen. Jeder ist gefordert! Geschichte ist ein Prozess, der sehr wohl von Einzelnen gestaltet wird, es beginnt im Kleinen. Oft genügt ein kleiner Anlass, um vermeintliche Selbstverständlichkeiten und Anspruchsdenken zu Fall zu bringen. Corona lässt grüßen.
Erhältlich ist das Buch im Rathaus der Gemeinde Ummendorf oder in der Stadtbuchhandlung Biberach. Preis 29,80 Euro.
Dorfleben in den Achtzigerjahren
fotografiert von Werner Reisch
Bäcker Anton Zoll bei der Arbeit.
Anna Steib bei der Gartenarbeit.
Im Friseursalon Kuch.
Im Laden der Metzgerei Traub.
Landwirt Karl Köberle am Melkstand.
Bürgermeister Dörflinger beaufsichtigt den Straßenbau.
Autor: Roland Reck