Kißlegg - Im Oktober wählten die Bewohner Kißleggs einen Bürgermeister: Dieter Krattenmacher, der schon 16 Jahre die Geschicke der aus drei Teilorten bestehenden Westallgäuer Gemeinde bestimmt.
Der „alte“ Bürgermeister Dieter Krattenmacher wurde im Oktober mit 86,3 Prozent der Stimmen souverän wiedergewählt. Der Achtundvierzigjährige geborene Altshausener leitet also nach 16 Jahren in der dritten Amtsperiode die Gemeinde, die nicht zuletzt überregional bekannt ist, wegen mancher kulinarischen Köstlichkeit, die hier hergestellt wird. Etwa Krumbach-Sprudel, das Kristallweizen von Farny, der Kißlegger Mozzarella und viele andere ökologisch und konventionell hergestellte Milchprodukte werden hier produziert. Aber der Luftkurort beheimatet nicht nur Lebensmittelproduzenten und bietet Ess- und Trinkkultur in zahlreichen Gasthöfen, sondern es finden sich auch außergewöhnliche Gebäude. Welche Gemeinde mit gut 9000 Einwohnern hat schon neben gleich zwei Schlössern ausgezeichnete Barockkirchen und Kapellen zu bieten? Die prachtvolle Barockkirche beherbergt den Augsburger Silberschatz und auch das inmitten eines acht Hektar großen Parks liegende Neue Schloss mit prunkvollem Treppenhaus und einer außergewöhnlich schönen Kapelle ist ein echtes Schmuckstück. Im Schloss kann als Kontrast zu den lieblichen Deckengemälden auch bei wechselnden Ausstellungen zeitgenössische Kunst bedeutender Künstler erlebt werden. Als weiteres Juwel liegt mitten im Ort am Zellersee das sich in Privatbesitz befindende Alte Schloss.
Dieter Krattenmacher, alter und neuer Bürgermeister von Kißlegg.
Die Zwergschule funktioniert
Der Westallgäuer Bahnknotenpunkt mit direktem Anschluss an die A96 ist eine Schnittstelle zwischen Baden-Württemberg und Bayern. Im Gespräch mit BLIX berichtet Bürgermeister Dieter Krattenmacher, dass seit 2015 vor allem der Hauptort Kißlegg selbst wächst, was man mit Nachverdichtung und Ausweisung neuer Baugebiete unterstützt. Als er sein Amt erstmals antrat, schloss gerade ein großer Arbeitgeber und der Ort verzeichnete einen Bevölkerungsrückgang. Das hat sich gründlich geändert. „Durch die Bahn-Elektrifizierung fährt man bald in gut eineinhalb Stunden nach München. Zudem haben wir täglich rund 200 Pendler nach Vorarlberg, in die Schweiz und nach Liechtenstein.“ Viele Bewohner arbeiten derzeit im Homeoffice. Während man von der ersten Corona-Welle nicht stark betroffen war, brandet die zweite Welle mit größerer Wucht an. Das erlebt der Bürgermeister als eine für alle anspruchsvolle Situation, in der sich reale und diffuse Ängste in ganz unterschiedlicher Form äußern. Ähnlich den Beleidigungen und Angriffen während der Flüchtlingswelle 2015, sieht man sich im Rathaus wie anderswo auch mit Verschwörungsmythen und kruden Angriffen konfrontiert, die insbesondere in den sozialen Netzwerken verbreitet werden.
Wanderer sind willkommen
Der „Flecken“, wie die Kißlegger ihren Ort gerne nennen, besitzt seit vielen hundert Jahren Marktrecht, seit genau zweihundert Jahren ist die Gemeinde eigenständig. Die Kooperation mit den Teilgemeinden funktioniere sehr gut, erklärt der Bürgermeister. Naturgemäß dominiert Kißlegg mit seinen rund 7000 Einwohnern, während die nächstgrößere Teilgemeinde Waltershofen nur wenig über tausend Köpfe zählt. „In Immenried mit seinen knapp siebenhundert Menschen haben wir mit derzeit 24 Schülerinnen und Schülern sogar eine der kleinsten Grundschulen im Land“, berichtet Krattenmacher stolz. „Das ist aber überhaupt kein Nachteil. Die wird von ganz cleveren Kindern besucht und leistet vorbildliche Arbeit.“
Auf dem Rathausplatz findet jeden Samstag der Wochenmarkt statt – selbstverständlich mit regionalen Lebensmitteln aus heimischer Produktion. Zahlreiche Naturschutzgebiete mit rund 20 Naturseen und Badeweihern der Kißlegger Seenplatte ziehen mit ihrem gut ausgebauten Rad- und Wanderwegenetz und zahlreichen Themenwegen Radfahrer und Wanderer an.
Kißlegg liegt an der Wiesengängerroute, einem 438 Kilometer langen Allgäuer Fernwanderweg, der zu Drumlins, Moore und Endmoränen führt. Die Strecke trifft von Bad Wurzach-Eintürnen her kommend auf Kißlegg und führt in einer weiteren Tagesetappe nach Wangen. Sehr sehenswert ist auch der Familienerlebnispfad Burgermoos und der Bohlenweg durch Arrisrieder Moos, direkt vor den Toren Kißleggs. Viele hundert Hektar mit der typischen Tier- und Pflanzenwelt sind noch erhalten. Der Norden von Kißlegg wird durch den Obersee mit einem herrlichen Strandbad abgegrenzt.
Für Touristen ist der Ort etwas abseits vom Allgäu-Rummel ein kleines Paradies. Aber auch die Einheimischen wissen ihren landschaftlich und verkehrstechnisch ideal gelegenen „Flecken“ sehr zu schätzen.
Autorin: Andrea Reck