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Wolfegg - An einem herrlichen Sonntag, an dem der Frühling sein blaues Band durch die Lüfte flattern ließ, waren Hunderte von Besuchern auf dem Gelände des Bauernhaus-Freilichtmuseums Allgäu-Oberschwaben bei der Eröffnung der diesjährigen Saison 2023 dabei. Zugleich erlebten sie die Eröffnung einer neuen baulichen Attraktion: Landrat Harald Sievers weihte am 19. März den aus Taldorf bei Ravensburg stammenden Hof der Familie Beck, ein Haus mit inklusivem Charakter, feierlich ein.

 

Vor einer Vielzahl geladener Gäste, unter ihnen Abgeordnete des Kreis-, Land- und Bundestags, besorgte das fünfköpfige nobelst gekleidete Gesangsensemble „Männer und Tenöre“ eine stilvolle musikalische Umrahmung des Festakts in der Zehntscheuer Gessenried, dem ältesten Gebäude des Museums. Für Volksliedklassiker aus der Zeit um 1900 wie „Am Brunnen vor dem Tore“, „Kein schöner Land“ und „Muss i denn“ erntete das Quintett begeisterten Beifall.
Maximilian Eiden, Leiter der Kulturhäuser im Landkreis Ravensburg, informierte, dass der erstmals 1728 erbaute Hof 2008 in Taldorf abgebaut wurde. 2018 beschloss der Kreistag einen Neuanfang „Inklusiver Schaubauernhof“. Das Land Baden-Württemberg leistete einen Zuschuss von einer Million Euro. Von 2019 bis 2022 wurde das historische Gebäude auf das Museumsgelände transloziert, renoviert und im Innern eingerichtet. Er ist Zeuge des Lebens im Alltag einer oberschwäbischen Bauernfamilie. Besonders wichtig sei 2021 die Gründung eines Arbeitskreises mit gehandicapten Menschen gewesen. In ständigem Dialog mit der Museumsleitung konnten dadurch wertvolle Erkenntnisse aus der Sicht von Betroffenen gewonnen und fruchtbringend umgesetzt werden. Im Museum wird der Hof gezeigt, wie er um 1900 ausgesehen hat, als Franz Beck ihn übernahm: als Eindachhof mit Wohntrakt und anschließendem Wirtschaftstrakt in Fachwerkbauweise inkl. Tenne und Kuh- sowie Schweinestall.

Ausstellung im Kuhstall des Hofs Beck Ernst Fesseler be

Ausstellung im Kuhstall des Hofs Beck. 

Museumsleiterin Tanja Kreutzer sprach zum Thema „Inklusion, Partizipation und bäuerlicher Alltag um 1900“. Sie bezeichnete die inklusive Gestaltung des Objekts als barrierearm, jedoch nicht als barrierefrei. Recht detailliert ging sie auf die familiäre Situation der Becks zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer Zeit des Aufbruchs ein, wo es keinen Strom gab und fließendes Wasser oder gar Maschinen noch unbekannte Fremdwörter waren. 1914, im Jahr des Ausbruchs des 1. Weltkriegs wurde Vater Franz Beck an die Westfront beordert. Ehefrau Maria musste den Hof, der dem „kleineren landwirtschaftlichen Milieu“ zuzurechnen sei, zusammen mit den drei Kindern alleine führen. Im Inneren des neuen Bauernhauses werden die damaligen Verrichtungen des Alltags mit allen Sinnen erfahr- und erlebbar vor Augen geführt. Durch Tast- und Hörstationen und Textübersetzungen in leichter Sprache und in deutscher Gebärdensprache wird den unterschiedlichen Bedürfnissen der Besucher Rechnung getragen. Die digitalen Maßnahmen zur Barrierearmut wurden durch Förderung im Impulsprogramm „Kultur nach Corona“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst ermöglicht. Zwei Gebärdendolmetscherinnen begleiteten die Reden der Veranstaltung. Gebärdensprache wurde, wie zu erfahren war, in Deutschland erst 2001 offiziell anerkannt. Kreutzer verwies schließlich auf den 25. Juni, wo eine höchst interessante neue Dauerausstellung eröffnet werden wird. Ihr Thema: „Alltagswelten, gestern und heute“. Sie regt zum reflektierenden Vergleich zwischen heutiger Lebenswirklichkeit und ländlichem Alltag vor 100 Jahren an.

 

Autor: Horst Hacker

Fotos: Ernst Fesseler

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