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Ravensburg - Zwei bedeutende Körperschaften feiern ihre runden Geburtstage auf ungewöhnliche Weise zusammen – mit Kunst. Die eine Körperschaft wurde vor 200 Jahren, 1822, in der Ravensburger Marktstraße gegründet – die Kreissparkasse Ravensburg. Die andere Körperschaft feiert ihren 50. Geburtstag dieses Jahr – der Landkreis Ravensburg. Beide sind Träger und Förderer regionaler Entwicklungen und regionaler Kreisläufe. Und so entstanden bei Kreissparkasse wie Landkreis zwei der bedeutendsten Kunstsammlungen in Oberschwaben, aus dem Bewusstsein heraus, dass neben ihren eigentlichen Aufgaben auch regionale Kultur Förderung brauche.

 Einen ersten Einblick in die umfangreichen Sammlungen gab die Ausstellung „Begegnung:Classix“ von August bis Oktober im letzten Jahr, mit 20 Künstlern der „klassischen Moderne“ wie Jakob Bräckle, Meret Eichler und Sepp Mahler. Nun also die Ausstellung „Begegnung: Contemporary“ mit jeweils zwei Werken von 23 KünstlerInnen der Region. Es sind verblüffende, überraschende Begegnungen mit Künstlerinnen und Künstlern, die, wie beim Autor, oft viele Jahre zurück liegen, Wiederentdeckungen, die noch immer eine zeitlose Faszination ausstrahlen. Da ist Hermann Waibel, der auf Acryglas mit Mischkunststoffen 1985 die ödeste Form moderner Massenarchitektur, das Quadrat, zu einer transparenten Lichtquelle verwandelt, Dorothée Schraube-Löffler, die mit Gold-Varianten und Textilstoffen mit handwerklicher Raffinesse Quadrate füllt. Die Kunst und die geradezu brachiale Gestaltung einer Materie mit der eigenen Körperlichkeit, die man spürt in Rudolf Wachters monumentalen Einschnitten in Pappelholz, Axel Otterbachs in sich geschlossene Skulpturen aus Carrara-Marmor, die Materie sind und Licht zugleich, die Skulpturen von Nikolaus Kernbach, geradezu mystische Konfrontationen von Mensch und Jahrtausende alter Materie – Granit, den er durchdringt, gestaltet und doch seines „Wesens“ nicht beraubt, und die Objekte, die Andrea Kernbach aus Materialien der Banalität des Konsummülls gestaltet – aus Kartonagen. Ästhetische Verwandlungen. Da ist Robert Schad mit seiner Materie – Stahl, der uns in täglich in tausend tödlichen Varianten als Bilderflut erstickt, Stahl – bei Schad als Materie in Bewegung, die sich ins Licht reckt. Da sind zwei Arbeiten der Ravensburger Malerin Barbara Ehrmann, und es ist faszinierend zu sehen, wohin sie sich in ihrer jüngsten Ausstellung „Fragile Balance“ in der Akademie Weingarten entwickelt hat. Farbpigmente zerfließen in Licht, die Flächen der Bilder von Margit Hartnagel zerfließen in Raum, der atmet. Und dann trifft man auf Katrin Landa, die sich keiner Mode angepasst hat, die geblieben ist, was sie zu einer Ausnahme macht – eine Porträtistin mit ganz eigenem, reduziertem Realismus, in dem die Porträtierten ein Geheimnis haben, eine Tiefe, eine Ernsthaftigkeit, die man in künstlerischen Porträts selten findet.
Auch Trauer mischt sich in die Begegnungen in dieser Ausstellung: mit zwei viel zu früh gestorbenen Künstlern, die ihre Arbeiten als gesellschaftliche Herausforderung verstanden, deren Kunst im besten Sinne „Zumutung“ war: Raimund Wäschle, mit seinen leidensvollen Gesichtern und Körpern, die so viel von seinen Leiden an den Irrsinnigkeiten der Welt verkörpern, und Romain Finke mit Arbeiten aus seinem düsteren, abstrakten Dachau-Zyklus, in dem er seine Geschichte mit dem Faschismus versuchte, aufzuarbeiten. Dass auch Raimund Wäschle und Romain Finke für diese Ausstellung vom Kuratoren-Team ausgewählt wurden, ist sehr bemerkenswert.

Die Ausstellung läuft bis 24. März 2023, montags bis freitags zu den Öffnungszeiten der Kreissparkasse, Meersburger Str. 1

Autor: Wolfram Frommlet

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