Bad Wurzach - Zur jüngsten Geschichte Oberschwabens gehört die Geschichte von Martin „Made“ Höld wie der Knoblauch in den Eintopf. Er fördert den Geschmack und die Verdauung. Seine Geschichte zu erzählen, heißt, die Geschichte von unten zu betrachten. Es ist die Geschichte eines lebenden Anarchisten, der Oberschwaben bunt machte. Denn im Grunde seines (Kinder-)Herzens ist Made Höld ein Spaßvogel, der es ernst meint. Erst recht in Kriegszeiten.
Also schreibt der 58-Jährige an Putin und schickt ihm und seinem ukrainischen Kontrahenten seinen Friedensplan. Der sieht vor, dass Russland den Donbass räumt und das umkämpfte Gebiet im Osten der Ukraine an der Grenze zu Russland Mandatsgebiet der UNO wird. Made Höld stellt sich sogar einen dauerhaften demokratisch legitimierten, souveränen UNO-Staat vor. Hölds Überlegung: die Kriegsparteien müssen getrennt werden, um einen Waffenstillstand und Frieden zu gewährleisten. Alles Weitere – so auch die Zukunft der Krim – kann unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen verhandelt werden. Statt Kriegs- und Eskalationslogik Stopp der Kampfhandlungen und Schaffung von Sicherheit durch Distanz.
Historisch: 1994 trat Made Höld zur OB-Wahl in Biberach an. Als Werbegag gab es speziell etickettiertes Flaschbier: „Made‘s Pickel-Bier“.
Made Höld findet seinen Vorschlag super, vor allem aber notwendig, um der Routine der Waffenlieferungen und dem ständigen Ruf nach mehr mit der Gefahr eines Atomkrieges eine Alternative aufzuzeigen. Das ist ehrenwert. Und wenngleich seine Friedensinitiative auf der großen politischen Bühne noch keinen erkennbaren Widerhall gefunden hat, lässt sich der gelernte Drucker davon nicht entmutigen. Global denken, lokal handeln, ist seine Philosophie und Handlungsmaxime. Also lädt er in „die Höhle“ ein, Ravensburgs Kultkneipe, integrative Kultur- und Begegnungsstätte und Mades städtisches Wohnzimmer, wo er gerne aufwartet, wenn er vom „Landsitz“ seiner Familie in der Nähe von Bad Wurzach aufbricht, um die Welt mit einer seiner unzähligen Ideen zu beglücken. Und „die Höhle“ und ihre BewohnerInnen sind dafür immer gut. Rund 30 Personen hätten seinen weltpolitischen Ausführungen in der „Räuberhöhle“ gelauscht und die anschließende Diskussion sei kontrovers verlaufen, erzählt Höld. Nichts anderes hat er erwartet, Experiment geglückt.
Made Höld ist ein gewiefter Denker und Macher. Und er traut sich was. Das scheint ihm in die Wiege gelegt, als er 1964 in Biberach das Licht der Welt erblickt. Sozialisiert über die katholische Jugendarbeit war soziales Engagement für den Heranwachsenden so selbstverständlich wie Schule schwänzen. Das Abi packte er trotzdem. Doch dann kam der Bruch. Seine „politische Verweigerung“ (Höld) wurde abgelehnt, er musste gezwungenermaßen 15 Monate zur Bundeswehr. Von da an war er im Widerstand. Und der Feind stand weit rechts: „die Faschos“, aber die Grenzen waren fließend. Wer weiß, ob der junge Oberschwabe nicht einen Irrweg gegangen wäre, wenn sein Hauptaugenmerk nicht der Abwehr von Rassismus und Nationalismus der Rechtsradikalen und deren Angriffe auf Asylbewerber gegolten hätte. Jedes Wochenende sei irgendwo „Faschoalarm“ gewesen, erzählt Made. Er und seine Mitstreiter seien gut organisiert, trainiert und bewaffnet gewesen. Das habe Wirkung gezeigt, wenn der „Schwarze Block“ aus Oberschwaben aufmarschiert sei. Allerdings war auch er Ziel der Braunen, was ihn ängstigte und einschränkte.
Indes begab sich der militante Heißsporn und bekennende Anarchist in den sanften Hafen der Ehe. Made mutmaßt, dass es 1989 war, dass er, der Hallodri, seine Jugendliebe Thekla heiratete, mit der er bereits eine Tochter hatte. Sie blieb als Counterpart immer die Frau an seiner Seite. Ein Glücksfall, denn während er mit seinen Spleens und Missionen durch die Lande zog, Festivals ausrichtete, sich verschuldete, ach ja, und die Faschos gab es ja auch noch, richtete Thekla ihm das Familiennest im eigenen Haus im Grünen. Mit Erfolg. Das Paar hat schon längst fünf erwachsene Kinder und demnächst ebenso viele Enkelkinder. Ein alternatives Familienidyll mit bewährter Tradition. Er schafft die Kohle ran und checkt die Mails, sie alles andere. So oder so ähnlich. Es stimmt und stimmt auch nicht, soll an dieser Stelle aber genügen. Der Apfelkuchen war auf jeden Fall lecker.
Die „Räuberhöhle“ in der Burgstraße in Ravensburg wird weiterhin Mades Stützpunkt sein.
Ist eine Spontiaktion notwendig, kann man sich auf Made Höld verlassen. Seine Brötchen verdiente er lange beim ZfP Südwürttemberg, wo er die Druckerei leitete, bevor er vor einigen Jahren in die Arbeitsvermittlung von Menschen mit Handicap zur Arkade-Pauline 13 wechselte. Die Arbeit mache ihm „richtig Spaß“, erklärt Höld, der als selbstbewusster Druckermeister zwar selbstredend in der Gewerkschaft ist und auch im Betriebsrat war, aber Parteipolitik meidet der Aktivist, dafür aber ist er 100facher Blutspender, wie er betont. Made Höld ist Individualist mit hohem sozialem Anspruch und unbändiger Lust an der Provokation.
1994 traten der damals 30-Jährige und sieben weitere Kandidaten als Team „Die Glorreichen“ zur OB-Wahl in Biberach an, was sie als Revolte der Jugend verstanden, war in Biberach ein kommunalpolitischer Hurrikan, der ein „sensationelles Wahlergebnis“ (SWR) zur Folge hatte. Der SPD-Kandidat und Hamburger Thomas Fettback gewann im ersten Wahlgang gegen den CDU-Honoratior Karl-Heinz Brock. Es war eine Zäsur, die die Stadt veränderte, und an der „Die Glorreichen“ mit ihrer provokanten Spaßkandidatur maßgeblich mitwirkten, das beansprucht Made Höld als Teil der Geschichte. Danach schien vieles möglich, der Furor ging weiter. Und so veranstaltete Made und seine Mitstreiter nur ein Jahr später zwei Sommertage lang ein gigantisches U&D-Festival gegen Rassismus in dem kleinen Dorf Winterreute mit zwei Bühnen, unzähligen Bands, darunter Wolle Kriwanek, Subway To Sally und Die Happy und 15.000 BesucherInnen. Der Reingewinn von 15.000 DM ging als Spende an verschiedene gemeinnützige Institutionen.
Mit dem Umzug 1995 nach Bad Wurzach verschob sich auch Mades Aktionskreis mehr nach Ravensburg. Es war die Rettung für „die Höhle“. 2012 gründete er dafür den „Verein der Freunde der Räuberhöhle“, der in Folge gegenüber der Stadt sowie dem Privateigentümer und Verpächter die Interessen der Gäste und der Pächterinnen vertrat. Und das mit viel Fantasie und Verve. „Die Räuberhöhle“ in der Burgstraße ist ein Relikt. Das denkmalgeschützte Gemäuer beherbergt alle alternativen Träume aus den 70er-80er Jahren und sollte luxussaniert werden, damit aus der Kaschemme endlich eine Cash-cow wird, die Geld abwirft. Aber nicht mit Made und seinen Freunden! Mit dem Slogan „Jeder Mensch braucht eine Höhle“ und der jährlichen Verleihung des Widerstandpreises (500 Euro) – der erste ging an Eduard Snowden, falls ihn noch jemand kennt, und sonst ist der BAP-Barde Wolfgang Niedecken ein prominenter Preisträger, der die Auszeichnung auch persönlich in Empfang nahm -, bespielte der Verein geschickt die Protestklaviatur, und Höld als studierter Öffentlichkeitsarbeiter – auch das hat er sich noch nebenbei draufgearbeitet – gibt den Medien, was sie suchen: gute Stories. Das verfing, und als sich OB Rapp auch noch öffentlich als Höhle-Fan outete, war „die Höhle“ als einmaliges subversives Biotop in direkter Nachbarschaft zum noblen Kunstmuseum gerettet. Heureka! Mades Erfolgsrezept: blühende Fantasie mit derber Forschheit und akribischer Planung. Es sieht wie Spaß aus, ist aber harte Arbeit – die aber Spaß machen muss.
Mit einem Videoclip bewirbt sich Made Hölt beim Berblinger Contest in Ulm. Seine Projektidee ist ein Fitnessgerät, das zugleich zum Training zur Reanimation bei einem Herzstillstand dienen soll. Er ist damit bereits in die Endausscheidung gekommen und sucht für das Finale noch Unterstützung.
Link für das Crowdfunding von dem Reanimations-Fitnessgerät: https://test-test-contest.de/reanimations-fitnessgeraet/
Link für den Live-Stream am 25. und 26. November ab 19 Uhr. Dort kann auch online mitabgestimmt werden. https://test-test-contest.de/live-events/
Dabei wandelt der hyperaktive Oberschwabe ständig zwischen den Welten. Während er sich den Kopf über den Krieg im Osten und dessen Befriedung zerbricht, bewirbt er sich eben Mal um den Berblinger Contest in Ulm – nicht nur mit einem Vorschlag, sondern gleich mit vier. Der Schneider von Ulm und sein Wagemut als Inspiration für innovative und gesellschaftsdienende Ideen und Projekte – das passt! Hölds Projekteingabe, die die Jury bisher überzeugte: „Ein Fitnessgerät zu entwickeln, bei dem neben Muskeln auch die Reanimation trainiert wird. Dadurch kann ein großer Kreis von Menschen erreicht werden, die sich mit dem Thema Wiederbelebung auseinandersetzen und regelmäßig die Möglichkeit nutzen, eine Herzdruckmassage zu üben. Das ist wichtig, weil die Reanimation eine Fähigkeit ist, die nicht oft genug trainiert werden kann.“ Mit anderen Worten: statt in der Muckibude stumpf Gewichte zu stemmen, sollen die SportlerInnen bei ihrem Training auch gleich noch das richtige Handling bei einer Herzdruckmassage üben. Mades Begründung: „Der plötzliche Herztod ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Jede Minute, in der nicht geholfen wird, verringert sich die Überlebenschance um 10 Prozent.“ Und Mades Abhilfe: verbinde Spaß mit Sinn.
So tourt der Oberschwabe unermüdlich durch die Lande. Er ist hier tief verwurzelt, aber zum Protest gegen das politische Establishment (G8) ist er von Oberbayern (Schloss Elmau) bis zur Ostseeküste (Heiligendamm) zu finden. Er ist Fotograf und DJ, betreibt seine eigene Agentur mit dem sinnigen Slogan „made by made“, und wenn es ihn juckt, dann bewirbt er sich als Kandidat für den Bundestag, wozu er 2005 als parteiloser Einzelkandidat zugelassen wurde, oder als Landrat, was ihm 2015 verwehrt wurde. Egal, Ämter sind ihm nicht wichtig, es geht ihm um den Anstoß, um die Auseinandersetzung, ganz im Sinne Helmut Schmidts: „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.“ Und auch dafür hat er einen Verbesserungsvorschlag: statt wählen losen – das wäre im Ergebnis demokratischer, ist Made überzeugt. Wie er darauf kommt, wäre noch eine Geschichte. Es ist wie mit dem Knoblauch im Eintopf: es schmeckt nicht jedem, aber wirkt. Oberschwaben ist bunt geworden! Und dafür hat der grauhaarige Zampanow fantastisch viel getan.
Autor: Roland Reck