Leutkirch - Erst vor wenigen Tagen wurde der als unternehmerischer Macher bekannte und geschätzte Leutkircher Christian Skrodzki (55) von der Heimenkircher Brauerei Meckatzer als „Persönlichkeit des Jahres“ ausgezeichnet. In der Begründung für seine Wahl steht: „Wenn man einen Macher beschreiben wollte, so würde Skrodzki als Vorlage dienen.“ BLIX schaute nach.
Die Liste der von Skrodzki initiierten und umgesetzen Projekte ist lang: Bürgerbahnhof Leutkirch, Genussmanufaktur Urlau, Allgäuer Genusshotel, Heimat Bärenweiler usw. Viel Leidenschaft, Herzblut und Geld musste der umtriebige Allgäuer in seine Projekte investieren. Dabei rannte er längst nicht immer offene Türen ein. „Aber ich habe an jedes einzelne Projekt geglaubt. Das hat mich auch in schwierigen Situationen am Ziel festhalten lassen“, sagt der umtriebige Visionär. Er betrachtet die Auszeichnung als „sehr schöne Wertschätzung“. Sie zeige ihm doch, dass „Mut auch belohnt wird“.
Als Skrodzki im August 2017 einer jener Leutkircher Köpfe war, die im Sommertalk mit VHS-Vorsitzendem Karl-Anton Maucher unter freiem Himmel talkten, wurde er im Vorfeld als „Tausendsassa mit Bodenhaftung“ angekündigt. Ihn als umtriebig darzustellen, hieß es weiter, sie keine Über- sondern eine Untertreibung. Damals war sein Leuchtturmprojekt „Bürgerbahnhof“ in aller Munde, und das mitnichten nur in der Stadt Leutkirch.
Besonders wichtig war für die Bahnhofgenossenschaft, dass bei der Sanierung des Bahnhofs ausnahmslos nur Unternehmen der Region zum Zuge kamen. Neun Arbeitslose sind es gewesen, die dadurch den Weg zurück ins Berufsleben fanden. Was die neue Qualität von Bürgerverantwortung betrifft, erklärt Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle: „Die Bürger entscheiden nicht nur mit, sondern gestalten auch mit und übernehmen dadurch Verantwortung. Für mich ist das die höchste Stufe von Bürgerbeteiligung, die wir hier erreicht haben.“ Leutkirch ist so zum Modellprojekt geworden. Aus ganz Deutschland kommen Anfragen aus Orten, die ihren Bahnhof auch in einen Bürgerbahnhof nach Leutkircher Vorbild verwandeln wollen.
Aus alt mach‘ neu! Im alten Brauereigebäude in Urlau bei Leutkirch realisierte Christian Skrodzki die Allgäuer Genussmanufaktur als genossenschaftliches Projekt. Foto: Hacker
Jetzt strahlt ein weiteres Leuchtturmprojekt vom Vorort Urlau aus in die Region: die im historischen Brauereigebäude entstandene Allgäuer Genussmanufaktur. Seit ihrer Öffnung vor drei Jahren haben laut Vorstand bereits mehrere Tausend Menschen das genossenschaftliche Projekt besucht. BLIX war vor Ort, um sich einen Eindruck von diesem attraktiven Vorzeigegebäude zu verschaffen.
Bereits beim Eintritt kitzelt der würzige Duft frisch gebackenen Brotes die Nasen. Neben den Leckereien aus der Backstube locken regionale Produkte wie Fleischwaren, veredelter Käse und frisches Gemüse. Kein Wunder, dass die lokale Kundschaft aus Urlau und Umgebung hier für den täglichen Bedarf einkauft. Damit Regionalität Identität stiftet, stammen die landwirtschaftlichen Lebensmittel aus einem Umkreis von maximal 75 Kilometern. An Wochenenden herrscht Hochbetrieb, wenn viele Urlauber aus dem benachbarten Centerparc Allgäu zusätzlich den Weg in die Manufaktur finden. Während Dorfladen und Café kostenlos zugänglich sind, fällt für den Rundgang durch das geschichtsträchtige Gebäude, in dem Gewerbetreibende zeigen, wie ihre Produkte entstehen, ein Eintrittspreis von drei Euro an. Dazu erklärt Skrodzki als ehrenamtlicher Vorsitzender: „Der Erlös kommt den Handwerkern zu Gute, die vom Verkauf ihrer Erzeugnisse leben.“ Wenn die Handwerker ihre Arbeit erklärten, könnten sie kaum produzieren. So sei eine kleine Aufwandsentschädigung nur recht und billig. Dafür garantiert die Manufaktur, dass immer zwei Drittel der 17 Mieter anwesend sind.
Eine ganz besondere Attraktion ist die Bibliothek im Weißen Saal, in der 12.000 Bände aus dem Nachlass des 2015 verstorbenen Archivars stammen. Zwischen Bänden von Karl Marx und Goethe finden dort Ausbildungslehrgänge für Blechbläser statt, die von der „Alphorn- und Musikschule Allgäu“ angeboten werden.
Von über 900 Genossen getragen, zeigt sich der Vorsitzende der Allgäuer Genussmanufaktur-Genossenschaft, Christian Skrodzki, felsenfest davon überzeugt: „Basisdemokratischer geht es nicht.“ Wer als „armer Schlucker“ für 1000 Euro nur einen einzigen Anteil kaufe, habe nicht weniger und nicht mehr zu sagen als der, der sich mit zehn Anteilen in die Genossenschaft eingebracht habe. Den Vorteil von Genossenschaften sieht Skrodzki darin, dass sie selten insolvent gehen, weil viele Teilhaber das unternehmerische Risiko gemeinsam tragen. Und gemeinschaftlich, so eine wichtiges Element seiner Philosophie, schaffe man mehr als ein Single.
Die unter einem Dach vereinten Kunst- und Genusshandwerker sieht er als „Schaufenster der Region“. Hier haben bestimmte Handwerke den Platz, den sie zu Hause nicht hätten. An solcher Quartiersentwicklung müsse jeder profitieren, sonst gäbe es keinen Fortschritt.
Gut findet Skrodzki, dass die Mitglieder ihre Dividenden nicht in Geld, sondern in Naturalien erhalten. „Das fasziniert die Leute“, weil sie lieber reizvolle Genüsse wie frisch gebackenes Brot, ein gutes Stück Rindfleisch, duftend gerösteten Kaffee, Honig und vieles mehr mit nach Hause nehmen. Genossenschaften lebten vom Wichtigsten: „das sind die Menschen selbst“, erklärt der Unternehmer. Es sei ganz wichtig, die Menschen so zusammen zu bringen, damit sie gerne Verantwortung übernehmen.
Autor: Horst Hacker