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Sonja Hummel (29) liegt die Natur am Herzen. Seit Jahren engagiert sie sich in der Solidarischen Landwirtschaft - ihr Geschick, Ehrenamtliche zu motivieren und zu organisieren, bringt die studierte Regional-Managerin aber auch in zahlreichen anderen Projekten ein.

Die sanfte Stimme am Telefon scheint gar nicht so recht zu passen zu der tatkräftigen jungen Frau, die mit gerade mal 29 Jahren schon so vieles ausprobiert und geleistet hat. Aufgewachsen in Ingoldingen, wurde sie schon als Zwölfjährige Vegetarierin. „Kühe waren schon immer meine Lieblingstiere“, erinnert sie sich. Mittlerweile ernährt sie sich vorzugsweise vegan, „wenn ich nicht gerade irgendwo eingeladen bin, wo es nur vegetarisches Essen gibt.“ Sie besuchte das ernährungswissenschaftliche Gymnasium der Matthias-Erzberger-Schule in Biberach und machte dort Abitur. Danach folgte das Bachelor-Studium „Ökosystem-Management“ in Göttingen, dem sie das Masterstudium „Regionalmanagement MBA“ an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf anschloss.

Während eines ATTAC-Kongresses war sie 2012 auf das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) gestoßen. Diese alternative Methode, Menschen mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen, überzeugte sie. Um auch die Praxis kennen zu lernen, arbeitete sie fast ein Jahr auf einem solchen SoLawi-Hof im hessischen Witzenhausen mit.
Prägend für sie war auch das Praktikum bei Alexander Ego im Landwirtschaftsamt Biberach. Dort wurde sie zur „Fachwartin für Obst- und Gartenbau“ ausgebildet. Seither legt sie sich einen essbaren Garten in Ingoldingen an, zum Beispiel mit Maulbeere, Esskastanie und Mispel und gibt in Obstbaum-Schnittkursen ihr Wissen gerne an Interessierte weiter. Experimente zur heimischen Balsamico-Essig-Herstellung waren ebenfalls bereits erfolgreich.

Ihre Freude daran, Menschen zu motivieren, entdeckte sie bereits 2013 bei ihren Vorträgen zwischen Ulm und Bodensee über das alternative Direktvermarktungskonzept „Solidarische Landwirtschaft“. Aus einem solchen Vortrag gründete sich dann auch der Verein in Ravensburg, der letztes Jahr bereits sein fünfjähriges Jubiläum gefeiert hat. Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung sind von Anfang an im Vorstand ihre Steckenpferde.
Die „Solidarische Landwirtschaft“ ist eine Form der regionalen Gemüse-Versorgung. Wie an über 150 Orten in Deutschland bilden auf dem Hof „Hübscher“ bei Ravensburg Vereinsmitglieder die Finanzierungsgrundlage zwischen jungen Gärtnern ohne Grundbesitz und einem Betrieb ohne Hofnachfolge. Die Ernte findet direkt den Weg vom Hof zum Teller. Auch „Gemüse mit Charakter“ wird geliefert. Um Lebensmittelskandale, prekäre Beschäftigungsbedingungen und Marktabhängigkeit zu vermeiden, ragen in der SoLaWi mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs. Die Mitglieder, junge Familien, Alleinstehende und Senioren, erhalten im Gegenzug eben dessen Ernteertrag. Die Mitarbeit auf dem Feld und im Garten ist gern gesehen aber freiwillig. In Oberschwaben gibt es bereits vier SoLawis (www.solawi-ravensburg.dewww.solawi-bad-waldsee.dewww.unser-familienhuhn.de, www.aehrenhof.de) und eine Initiative in Rot an der Rot.

Schon während der Masterarbeit nahm sie 2016 eine  halbe Stelle als Integrationsbeauftragte der Stadt Aulendorf an, weil sie kein Bafög mehr bekam. Der Gemeinderat wählte sie, weil sie durch die SoLawi mit Praxiserfahrung punkten konnte. Denn auch dort war sie wieder für die Ehrenamtskoordination, Öffentlichkeitsarbeit, Netzwerkpflege und Projektbegleitung zuständig. Sie trug stets auch die Anliegen des Helferkreises in die Stadtverwaltung und versteht sich als Verfechterin bürgerschaftlichen Engagements.

2019 beendete sie ihren Posten als Integrationsbeauftragte, den sie mit viel Hingabe ausgefüllt hatte und leitet nun das Mehrgenerationenhauses Ravensburg-Gänsbühl der Stiftung Liebenau. Sie ahnen es schon, mit einem Stellenumfang von 50 Prozent. Dort ist sie mit der Quartiersarbeit in der Ravensburger Oberstadt beauftragt. Sammelte Sie früher noch Erfahrungen in einer Baumschule, Schreinerei und im Garten- und Landschaftsbau, so findet sie nun ihren Nebenjob bei einem Bestattungsunternehmen sinnerfüllend.
Auf die Frage, wie sie diese Aufgaben alle bewältigt, lacht sie: „Ich habe nie eine Vollzeitstelle gewollt, dafür gibt es viel zu viel Interessantes auszuprobieren. Und Langschläferin bin ich auch noch.“ Das ist kaum zu glauben, angesichts ihres Arbeitspensums.
Wenn sie nicht gerade noch einen antiken Schrank restauriert, hat die umtriebige junge Frau natürlich noch weitere Themen, denen sie sich widmet. Agroforst, Terra Preta, und ein Geburtshaus mit dem Ravensburger Verein „Hebammerei“ gründen, stehen ganz oben auf ihrer Liste. Denn bei Kapitalismuskritik, Behebung sozialer Ungerechtigkeiten und ökologischen Verbesserungen - die Hummelfleißige kann, wenn‘s sein muss, auch den Stachel ausfahren.
Man darf gespannt sein, wie Sonja Hummels vieler Samen aufgeht.

 

Text und Foto: Andrea Reck

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