Bad Saulgau / Ravensburg / Biberach - Die Schließung der Geburtsstation im Krankenhaus Bad Saulgau wird nicht zuletzt mit dem Mangel an Hebammen begründet. Wie sind deren Arbeitsbedingungen?
Mangels Hebammen schloss die Geburtsstation der Akutklinik Bad Saulgau zum 1. Juli. Zwei Wochen zuvor hatten Dr. Jan-Ove Faust, der Geschäftsführer der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen und die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle erklärt, dass die temporäre Schließung der Geburtsklinik Bad Saulgau aus personellen Gründen erfolge. Insbesondere, weil nicht genügend Hebammen zur Verfügung stünden, es aber auch an Fach- und Assistenzärzten mangle. Waren 2019 noch sieben Hebammen beschäftigt, standen zuletzt nur noch 3,41 Angestellte und 2,72 Leihkräfte zur Verfügung. Ende Juni verabschiedete sich eine Hebamme in den Ruhestand eine andere in die Selbständigkeit. Der Mindestpersonalbedarf bei 5,69 Vollzeit-Kräften, war also nicht mehr gegeben. Laut Geschäftsführer waren keine Hebammen zu finden und man könne es nicht verantworten, die Geburtsstation mit zu wenig Fachpersonal zu betreiben. Es war nicht möglich, genug Beleg-Hebammen zu engagieren oder zweitweise Aushilfen aus der Geburtshilflichen Klinik in Sigmaringen oder anderen SRH Standorten zu finden. Mitte Juni hatte der Förderverein des Krankenhauses auf dem Wochenmarkt in Bad Saulgau Unterschriften gesammelt gegen die Ankündigung der Geschäftsführung der SRH Sigmaringen, die Geburtshilfeabteilung am Krankenhaus Bad Saulgau, wo bisher rund 700 Kinder jährlich geboren wurden, temporär nach Sigmaringen zu verlagern.
In Ravensburg soll ein Geburtshaus entstehen
Freiberufliche Hebammen arbeiten in der Schwangerenvorsorge, bei Hausgeburten, Wochenbettbetreuung und Stillberatung. Sie rechnen mit den Krankenkassen direkt ab. Zudem können sie als Beleghebamme vergleichbar mit Belegärzten, in einer Klinik arbeiten. Sie können mit Frauenärztinnen und -ärzten in einer Praxisgemeinschaft arbeiten oder in Geburtshäusern, von Hebammen betreute selbständige außerklinische Einrichtungen.
BLIX sprach mit Sabine Grath (39), Sozialpädagogin und Projektleiterin des Geburtszentrums Ravensburg. „Die Hebammerei“, die sich derzeit in den Räumlichkeiten des Kinderforums in der Gartenstraße 49 in Ravensburg befindet, wurde vor 16 Jahren für außerklinische Geburten gegründet. „Die Schließung der Geburtsstation in Bad Saulgau tangiert uns natürlich auch“, erklärt die Projektleiterin. Das Team der Hebammerei betreut im Jahr rund hundert Hausgeburten und muss für den Notfall ein Krankenhaus mit Geburtsstation in der Nähe haben. Das nächstgelegene ist nun nur noch die OSK in Ravensburg. „Die Nachfrage nach außerklinischen Geburten steigt, wir könnten doppelt so viele Frauen betreuen, wenn wir Platz und Hebammen hätten“, erklärt Sabine Grath. „Wir planen ein hebammengeleitetes Geburtshaus in Ravensburg, haben aber immer noch keine passende Immobilie gefunden, wobei sich eine Lösung abzeichnet.“
Das Klinikum in Bad Saugau bietet seit jüngstem keine Geburtshilfe mehr an.
Reform der Hebammenausbildung ist positiv
Wer Hebamme werden will, muss seit Januar 2020 ein duales Studium absolvieren, verlangt das Hebammenreformgesetz. Macht die Akademisierung die Ausbildung attraktiver und bereitet ein Studium besser auf die Versorgung von Schwangeren und Gebärenden vor? „Ja, ein Duales Studium wertet den Beruf unheimlich auf. Deutschland ist ja eines der letzten Länder in Europa, die darauf umstellen. Es fehlen aber vor allem die Praktikumsplätze. Wir in der Hebammerei haben immer eine Praktikantin, im Geburtshaus könnten wir weitere ausbilden. Für viele stand der Beruf der Hebamme in den letzten Jahren einfach nicht auf der Agenda. Die Arbeitsbedingungen sind so schwierig, dass die durchschnittliche Verweildauer bei Anfängerinnen nur rund vier Jahre beträgt. Dazu kommt, dass die Hebamme 10.000 Euro Prämie für die Haftpflichtversicherung vorstrecken muss. Im laufenden Betriebsjahr erstatten die Krankenkassen bis zu 70 Prozent dieser Prämie. Die Akademisierung ist ein Schritt in die richtige Richtung, trotzdem sind die Hürden insbesondere für junge Hebammen noch hoch und es mangelt an außerklinischen Ausbildungsstätten.“
Gute Zusammenarbeit in Biberach
Wie ist die Situation in Biberach? Wir fragten Manja Olbrich, zuständig für Unternehmenskommunikation und Marketing an der dortigen Sana Klinik und erhielten die Antwort: „Im Geburtszentrum Biberach sind sowohl der Kreißsaal wie auch die Mutter-Kind-Station hebammengeführt. Das heißt, unsere erfahrenen Hebammen stehen den Schwangeren nicht nur vor und während der Geburt zur Seite, sondern übernehmen während des gesamten sich an die Geburt anschließenden Aufenthaltes die Betreuung von Mutter und Kind. Diese ständige Betreuung durch Hebammen in allen Bereichen der Abteilung stellt im Sana Klinikum Biberach ein einzigartiges Qualitätsmerkmal dar. Dies spiegelt sich auch in der Entwicklung der Geburtenzahlen wider. Während im vergangenen Jahr durch die coronabedingte, vorübergehende Ein-Bett-Belegung 780 Entbindungen stattfanden, setzt sich in diesem Jahr der Aufwärtstrend der Vorjahre fort: Allein im ersten Halbjahr 2021 erblickten hier 430 Neugeborene das Licht der Welt.“
Auf die Frage, ob man in Biberacher Klinikum nur mit festangestellten Hebammen arbeitet oder auch mit Beleghebammen, erfuhren wir: „Zum Team der Geburtshilfe Biberach zählen ausschließlich fest angestellte Mitarbeiter, dazu gehören derzeit 18 erfahrene Hebammen und sieben Hebammenschülerinnen, die hier im Haus ihre Duale Ausbildung absolvieren. Dies wird ergänzt durch den Anwesenheitsdienst von Gynäkologen und Anästhesisten, die zudem zusätzlich in der Neugeborenen-Notfallversorgung qualifiziert sind. Dies alles gewährleistet eine fürsorgliche Rundumbetreuung. Für die ambulante Betreuung werdender und frischgebackener Eltern sind wir darüber hinaus eng mit den niedergelassenen bzw. freiberuflichen Hebammen in der Region vernetzt.“
Praxisraum zum Wohlfühlen in der Hebammerei in Ravensburg.
Auch in der kommunalen Ravensburger Oberschwabenklinik gibt es keine Engpässe. Im Klinikverbund sind Schwangerschaftsbetreuung und Geburtshilfe Schwerpunkte der Frauenkliniken am St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg und im Westallgäu-Klinikum in Wangen. Dort gibt es laut Winfried Leiprecht, dem Sprecher der Unternehmenskommunikation, durch Gruppen von Beleghebammen keine Engpässe. Ein Dutzend freiberuflicher Hebammen ist in Wangen tätig, dreizehn Frauen stehen in Ravensburg bereit. „Wir sind an beiden Standorten auch qualitativ sehr gut aufgestellt“, betont Leiprecht.
Autorin: Andrea Reck