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Biberach - Auch Gebären ist in Coronazeiten anders als sonst. Dank engagierter Hebammen werden Frauen aber trotzdem vor, während und nach der Geburt intensiv betreut.

 

Seit unglaublichen 46 Jahren ist Ingrid Sproll Hebamme. Beim Telefonat mit BLIX bedauert die Biberacherin zwar, dass derzeit wegen Corona manche Kontakte zu (werdenden) Müttern wegfallen, aber sie liebt ihren Beruf nach wie vor. „Wenn man beim Glück dabei sein darf, ist das doch wunderschön“, schwärmt sie. Zusammen mit vier Kolleginnen arbeitet sie im Team Bibernest in der Ziegelhausstraße nahe der Sana-Klinik. Schwangere Frauen melden sich dort unabhängig davon, ob eine Geburt in der Sana-Klinik geplant ist, bei den Freiberuflerinnen an. Da die Präsenzkurse zur Geburtsvorbereitung von den Inzidenzwerten abhängig sind, können sie derzeit nicht stattfinden. Ingrid Sproll und ihre Kolleginnen („wir sind so ein nettes Team und arbeiten wirklich Hand in Hand“) besuchen die Frauen daher zu Hause zu einem Vorgespräch. Drei der fünf Freiberuflerinnen sind auch in der Wochenbettpflege tätig. Rückbildungskurse finden verkürzt und mit nur wenigen Frauen in Präsenzkursen statt – natürlich unter den vorgeschriebenen Hygieneverordnungen.
Schon vor dem Auftreten des Corona-Virus waren online-Kurse zur Geburtsvorbereitung ein gern genutztes Angebot für Frauen, die beispielsweise keinen Platz mehr im örtlichen Kurs ergattern oder aus anderen Gründen nicht daran teilnehmen konnten. Momentan unterstützen Krankenkassen ausgewählte Online-Seminare und übernehmen die Kosten dafür. Zudem finden auch Beratungen durch Hebammen per Mail statt.
Wegen Corona gehen vermehrt Frauen bereits nach vier bis acht Stunden nach der Geburt heim. Dazu tragen die strengen Hygienemaßnahmen bei, die den Partnern gar nicht oder nur kurz erlauben bei der Geburt und im Wochenbett dabei zu sein. Auch die Angst vor einer möglichen Infektion im Krankenhaus dürfte eine Rolle spielen. „Die Krankenhäuser sind da sehr kooperativ. Anschließend sind wir Hebammen natürlich noch mehr gefordert und müssen schnell abrufbereit sein“. Ingrid Sproll berichtet, dass sie und ihre Kolleginnen sich verstärkt um die Psyche der Mütter kümmern, die schon wegen der Hormonumstellung oft durcheinander sind. Die Verunsicherung durch Corona tut da ein Übriges.
Im Jahr 2019 erblickten bundesweit knapp 15.000 Kinder nicht im Kreißsaal das Licht der Welt Die Zahl der außerklinischen Geburten, zu Hause oder in Geburtshäusern nahm während der Corona-Pandemie zu, genaue Zahlen sind nicht erhältlich. „Im Landkreis Biberach gibt es keine Hausgeburt-Hebammen“, weiß Ingrid Sproll. „Die müssen dann von anderen Landkreisen angefragt werden.
Laut einem Artikel im Deutschen Ärzteblatt vom 8. April 2020 mussten 15 Prozent der Frauen, die im Jahr 2018 eine außerklinische Geburt begonnen hatten, während der laufenden Geburt in eine Klinik verlegt werden, weitere 3,7 Prozent während der Plazentarperiode. Auch 1,7 Prozent der Neugeborenen mussten in den ersten Lebensstunden stationär aufgenommen werden. Dies weist der Qualitätsbericht Außerklinische Geburtshilfe von 2018 nach. Es mussten bei einen Fünftel dieser Geburten zusätzliche medizini­sche Ressourcen wie Rettungsdienste, Fachärzte, Kinderärzte und Operationsteams in den angefahrenen Kreißsälen zum Einsatz kommen.
Derzeit ist einiges im Umschwung. „Die vierjährige Hebammen-Ausbildung mit Studium läuft seit dem letzten Jahr. Es bleibt abzuwarten, ob diese Hebammen weiterhin noch so viele Hausbesuche machen werden wie wir und viele Mütter in vertrauter und schöner Atmosphäre betreuen.“ Den Müttern wäre es zu wünschen.

 

Autorin: Andrea Reck

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