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Biberach - Kühn schwingt die Fassade des hochmodernen Zentrums in der Hubertus-Liebrecht-Straße in den Himmel. Es soll als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Forschung ein Leuchtturmprojekt der Modellregion werden.

Mit viel Prominenz aus Wissenschaft und Politik wurde das 3.800 Quadratmeter umfassende Innovations- und Technologietransferzentrum ITZ Plus am 22. September eröffnet. Der Hausherr, Biberachs Oberbürgermeister Norbert Zeidler, konnte fast 150 Gäste begrüßen. Die Stadt Biberach ist mit rund 17 Mio. Euro der größte Investor und gleichzeitig Bauherr. „Antworten auf große Zukunftsfragen wird es a bissle made in Biberach geben“ fasste er das Projekt zusammen. Er freute sich besonders als Ehrengast Miguel Avila Albez, Vertreter der Europäischen Union zu begrüßen. Nicht zuletzt, weil Biberach rund fünf Millionen an Fördergeldern für das ITZ aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung erhalten hat. „In Deutschland gibt es rund 350 Zentren dieser Art“, erklärte der OB, „mit 50.100 Unternehmen, die dort gegründet wurden, 316.000 Arbeitsplätzen, Erfolgsquote 99 Prozent“. Und an den Geschäftsführer der ITZ Plus Biberach GmbH Nikolaus Herte gewandt: „Die Latte hängt also hoch, Herr Hertle“.
Im ITZ wollen Unternehmen gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern Projekte rund um die Zukunftsthemen Biotechnologie, Energie sowie angrenzende Technologiefelder bearbeiten. Im Fokus steht die gezielte Förderung von Innovationskultur und Start-Ups, insbesondere in den Themenfeldern Medizin, Umwelt und Nachhaltigkeit.
„Wir wollen Öko-Innovationen fördern“, erklärte der geborene Karlsruher Miguel Avila Albez, der eigens aus Brüssel angereist war. Er ermutigte das ITZ, sich mit einem anderen Land zu verbinden und grenzübergreifende Projekte anzustoßen.
Knut Trop, vom Ministerium Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz, freute sich, dass das ITZ schon ausgebucht und ein weiterer Bau geplant sei, das Transferzentrum für Industrielle Bioökonomie (TIB) der Förderperiode 2021-2027. Das mit dem im RegioWIN 2030 prämierte Leuchtturmprojekt TIB unterstützt die Transformation von einer erdölbasierten Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
Neben den Fördergeldern aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung steuert das Land Baden-Württemberg rund zwei Millionen Euro zum Bau und 400.000 Euro als Anschubfinanzierung des Betriebs bei. Zusätzliche finanzielle Unterstützung in Höhe von 750.000 leistet der Landkreis Biberach, wie Landrat Mario Glaser, ITZ-Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglied, in seinem Grußwort („in Biberach geht was!“) erwähnte. Nach ihm kam Dr. Jan Stefan Roell, Präsident der IHK Ulm, die sich auch finanziell beteiligt hatte, zu Wort. „Die Wirtschaft muss in Start-ups investieren, der Staat die Infrastruktur zur Verfügung stellen.“

Das futuristische ITZ Foto Reck

Das futuristische ITZ. Foto: Reck

Tradition schwäbischen Tüftlertums
Ein wichtiger Kooperationspartner ist die Hochschule Biberach (HBC), laut Zeidler „unser Biberacher Think Tank“. Ihr neuer Rektor Professor Dr.-Ing. Matthias Bahr zitierte das Motto der HBC: „Zukunft erhalten, Zukunft gestalten, Zukunft leben.“ Ihm ist es wichtig, die Praxisanwendung zu stärken, ganz in der Tradition schwäbischen Tüftlertums. Dass Forschung nicht hinter verschlossenen Türen stattfinde, symbolisiere das transparente Gebäude. Er zog eine Parallele zum Silicon Valley in Kalifornien, das er im Rahmen einer Summer School gerade erst wieder besucht hat. Beeindruckt von dessen enormer Innovationskraft erinnerte er an die Anfänge des berühmten Standorts: „Was die Standfort University dort initiiert hat, ähnlich wie hier, würde man heute als Start-Up Hub“ bezeichnen, so Bahr.
Nikolaus Hertle, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft und zugleich Gastgeber, bedankte sich bei den Verantwortlichen für den Mut, in das Projekt zu investieren und zeigte sich rundum zufrieden: Nach dem einen oder anderen Stolperstein in der Bauphase - die Corona-Pandemie, Material- und Lieferengpässe hatten zu Verzögerungen geführt - sei das ITZ Plus ein gelungenes Prestigeobjekt geworden.
Schließlich kam Prof Maximilian Rimmel vom Münchner Architektenbüro Deubzer +Rimmel zu Wort. Das Dach des ITZ beschreibt eine auf der ganzen Länge nach Süden ausgerichtete markante Kurve und beeindruckt mit einer Fassade aus regionalen Ziegeln. Man schuf „einen veredelten Rohbau mit ausgeprägtem Werkstattcharakter, der den wechselnden Anforderungen und Zielsetzungen des ITZ Plus standhalten wird“, erläuterte Maximilian Rimmel, der an der HBC im Studiengang Architektur Entwerfen und Raumgestalten lehrt, bei der symbolischen Schlüsselübergabe. Da es ja keine klassischen Schlüssel mehr gebe, sondern sehr komplexe Schließsysteme, überreichte er OB Zeidler stattdessen ein „Sackerl mit Blumensamen“.
Geschäftsführer Hertle nannte als Beispiel der zukunftsträchtigen Firmen ein Start-up, das sich mit vertical farming, Landwirtschaft in mehrstöckigen Gebäuden, befasse, einer Anbaumethode, die 99 Prozent weniger Wasser benötige als herkömmliche Pflanzmethoden. Es betreibe eine Kooperation mit der Biotechnologie in der Hochschule und einem hiesigen Maschinenbau-Unternehmen.
Der offiziellen Eröffnung folgten Aktionstage, an denen das ITZ für alle Interessierten geöffnet war. Neben dem InnoTruck, einer mobilen Erlebnisausstellung auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Thema Innovation, konnten die Besucherinnen und Besucher das Gebäude besichtigen und sich über die Arbeiten und Vorhaben der angesiedelten Unternehmen sowie Forschergruppen der Hochschule Biberach (HBC) informieren. Zudem präsentierte das Digitalisierungszentrum Showcases mit 3D-Druck und Virtual Reality. Eine Zaubershow sowie Führungen durch das Gebäude rundeten das Programm ab. Außerdem gab es Vorträge mit anschließender Diskussion zu dem Thema „Biotechnologie – Schlüsseltechnologie für Fragen der Gegenwart und Zukunft“ und „Grüne erneuerbare Energie – Wirklich unsere Zukunft?“.

Und konkret?
Am ITZ sollen Basiswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen und vielfältige energetische Lösungen entwickelt werden. Neben kleinen und mittleren Firmen können auch Projektgruppen und Forschungsteams Büros und Besprechungsräume mieten. Eine herausnehmbare Gebäudefassade kann zu Test-und Messzwecken eingesetzt werden. Eine Klimakammer im Energielabor bietet vielfältige Möglichkeiten. Hier können Alterungsprozesse etwa für biobasierte Kunststoffe simuliert werden. Eine Simulationszentrale bietet die Möglichkeit, diverse Energie- und Heizungsanlagen zu koppeln. Hinzu kommen Brunnensysteme im Untergrund, ein Eisspeicher, Photovoltaik- und PVT-Anlagen, eine Kombination von Solarthermie und Photovoltaik. In einem Modellsupermarkt wird untersucht, wie man Kühlmöbel für Lebensmittel klimafreundlich betreiben kann. Auch auf dem Dach stehen 200 Quadratmeter zur Verfügung, wo etwa ein junges Start-up Windkrafträder für Privathaushalte testet.
www.itzplus.de

Autorin: Andrea Reck

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