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Bad Schussenried - Die Zauberformel heißt Nachhaltigkeit. Und sie wurde in der sächsischen Forstwirtschaft vor mehr als 300 Jahren erfunden. Seitdem gilt die Regel, nicht mehr Holz einzuschlagen als nachwächst. Aber wieviel ist das? Unter dem Gesichtspunkt, in Zeiten des Klimawandels den Wald als Kohlenstoffspeicher aufzuwerten, kommt eine Greenpeace-Studie der Naturwald-Akademie in einer Modellrechnung zu dem Schluss, dass bei einer geringeren Holzentnahme die Speicherkapazität des Waldes zunehmen würde. Was zur Folge hätte, dass weniger Holz aus heimischen Wäldern verbaut und verbrannt werden kann. Das aber widerspricht der gängigen Forderung, Holz als nachwachsenden Rohstoff verstärkt im Hausbau und in der Energiegewinnung einzusetzen. Was ist los im Wald? Das fragte BLIX Felix Groß, den Leiter des Forstbezirks Oberland mit Sitz in Bad Schussenried.

 

Herr Groß, was ist los im Wald? Laut einer Studie der Naturwald-Akademie, die von Greenpeace in Auftrag gegeben wurde, schadet die Waldnutzung dem Klimaschutz. Kurz gesagt: Die Entnahme von Bäumen verringere die Kapazität des Waldes, CO2 zu speichern. Klingt logisch und demnach sind Sie als Förster und Ihre Mitstreiter üble Klimasünder! Welche guten Argumente haben Sie zu Ihrer Verteidigung?

Zunächst einmal: Sie haben Recht! Im Augenblick der Holzernte entnehmen wir mit den Bäumen auch den darin gespeicherten Kohlenstoff und auch das Potential der gefällten Bäume, im weiteren Wachstumsprozess noch mehr davon zu binden. Aber: Durch die Entnahme von Bäumen werden natürliche Ressourcen frei, allen voran Licht und Wasser, die vom verbleibenden Wald in Wachstum umgesetzt wird, das heißt, auch in den Aufbau von neuem Holz. Und dieses wiederrum besteht zu rund 50 Prozent aus Kohlenstoff. Hinzu kommt, dass Holzprodukte den gespeicherten Kohlenstoff langfristig der Atmosphäre entziehen und außerdem Materialien ersetzen können, die in ihrer Erzeugung deutlich schlechter für das Klima sind, beispielsweise Beton oder Aluminium.

 

Worin liegt also der Fehler in der Greenpeace-Studie?

Der ungenutzte Wald erreicht einen Gleichgewichtszustand, in dem sich die CO2-Bindung durch Wachstum und die CO2-Abgabe durch Verrottungsprozesse ausgleicht. Hat er dieses Stadium erreicht, hat er zwar viel CO2 gebunden, er bindet aber kein weiteres mehr. Gleichzeitig ist der Wald als CO2-Speicher auch durch Naturkatastrophen wie Sturm, Feuer und Insekten gefährdet. Nach einer solchen Katastrophe wird ein Großteil des gespeicherten CO2 wieder freigesetzt. Bei einer Nutzung hingegen ‚spart‘ das genutzte Holz CO2, in dem es CO2-intensive Bau- und Brennstoffe ersetzt, bei einer Verwendung als Bauholz wird CO2 dauerhaft gespeichert. Bei einer so genannten Kaskadennutzung, zum Beispiel Bauholz wird zu Brennholz, werden diese beiden Effekte sogar kombiniert.

 

Dass der Wald durch den Klimawandel in Gefahr ist, ist offensichtlich. Die Trockenheit und Schädlinge setzen ihm massiv zu, wie inzwischen jeder Laie erkennen kann. Wäre es dann nicht ratsam, das Ökosystem in Ruhe zu lassen, wie bei einem Kranken, der Ruhe zur Genesung braucht?

Die Anforderungen der Gesellschaft an den Wald und die Waldbewirtschaftung unterliegen einem stetigen Wandel und ändern sich laufend. Der Wald selbst braucht aber mindestens eine Menschengeneration, um auf eine geänderte Waldbewirtschaftung in größerem Umfang zu reagieren. Das hat zur Folge, dass beispielsweise ein Fichtenwald, der vor 90 Jahren mit dem Ziel angelegt wurde, Bauholz zu liefern, heute mit Ansprüchen aus dem Bereich Naturschutz konfrontiert wird, die er nur mit Einschränkungen erfüllt. Eben diese Fichtenwälder sind in Oberschwaben noch auf großen Flächen vorhanden. Von ihnen leben die Waldbesitzer in guten Zeiten auch gut. Gleichzeitig sind sie aber auch anfällig gegenüber Stürmen und Insekten und kommen mir dem rasch fortschreitenden Klimawandel nicht gut zurecht. Würden wir die Wälder aktuell nicht nutzen und Sturmholz und vom Borkenkäfer befallene Bestände nicht aufarbeiten, so würde sich der Wald, wie wir ihn kennen, auf großer Fläche schnell auflösen. In der Folge ginge Vermögen zum Beispiel von Privatwaldbesitzern verloren, gebundener Kohlenstoff würde ungenutzt als CO2 freigesetzt und es würden große Kahlflächen entstehen.

 

Sie sind studierter Forstwirt und leiten einen Forstwirtschaftsbetrieb, der wie jeder Wirtschaftsbetrieb schwarze Zahlen schreiben soll. Wie soll das gehen? Der Wald ist schwerkrank, wenngleich in Oberschwaben weniger als anderswo, und soll trotzdem Gewinn abwerfen. Mit Verlaub, das klingt nach Ausbeutung.
Die Förster versuchen seit langem, den Wald behutsam umzugestalten, so dass er vielfältiger wird, um dadurch kommende Wetterextreme besser abpuffern zu können. Dass dieser Waldumbau erfolgreich ist, wird uns regelmäßig von der Bundeswaldinventur bestätigt.

Tatsächlich schreibt der Forstbezirk Oberland, wie auch die meisten anderen Forstbetriebe, aufgrund der massiven Waldschäden und der folgenden Marktverwerfungen Verluste. Gleichzeitig wurden und werden kostenintensive Maßnahmen vorangetrieben, die den Wald zukünftig stabiler machen sollen, so zum Beispiel die Jungbestandspflege, aber insbesondere auch die Begründung neuer Kulturen mit klimaresistenteren Baumarten. Trotzdem müssen und wollen wir Holz machen, denn die vor rund hundert Jahren mit großem Aufwand begründeten Fichtenbestände werden auf Dauer dem Klimawandel nicht standhalten. Aber wir warten nicht, bis sie großflächig absterben oder umfallen, sondern wir wollen sie planmäßig nutzen. Denn wenn man wartet, bis alles auf einem Haufen liegt, ist man nicht mehr in der Lage, das für die Wiederbewaldung notwendige Pflanzgut zu bekommen, die Holzpreise liegen danieder, die Kahlflächen sind riesig und die Arbeit ist unüberschaubar. Der Wald erfüllt vielfältige Ansprüche der Menschen und gerade in Zeiten des Klimawandels sind wir besonders auf ein intaktes Waldökosystem angewiesen. Dafür tragen wir Sorge in dem wir pflegen, pflanzen, aber auch nutzen.

 

Wenn Wald aus rein wirtschaftlichen Gründen in Brasilien gerodet wird, ist die Empörung hierzulande groß. Wenn Wald für Kiesabbau hierzulande gerodet werden soll, wie im Altdorfer Wald und auch im Kreis Biberach, dann stimmt der landeseigene Forstbetrieb dem zu, wohlwissend dass ein gerodeter Wald über Jahrzehnte kein Wasser und kein CO2 speichern kann. Ist das in Zeiten der Klimakrise nicht ein Skandal und verraten Förster, die nicht dagegen protestieren, nicht ihren Auftrag, nämlich den Wald zu schützen, und sind deshalb doch die eingangs genannten Klimasünder?

In dem von Ihnen angesprochenen Fall müssen die jeweiligen Güter, Kiesnutzung und Walderhalt, gegeneinander abgewogen werden. Die Nachfrage des Menschen nach natürlichen Ressourcen erstreckt sich nicht nur auf das Schutzgut Wald, sondern eben beispielsweise auch auf Kies. Wird diese nicht unter strenger Kontrolle lokal erfüllt, kann es schlimmstenfalls zu einer Verschiebung des Abbaus in weiter entfernte Regionen mit geringeren Standards kommen. Zudem muss ein etwaig auftretender Waldverlust in jedem Fall ausgeglichen werden, beispielsweise durch eine Aufforstung auf anderer Fläche. Gerade diese Vorgabe unterscheidet das Vorgehen hierzulande von den angesprochenen Rodungen im brasilianischen Regenwald.

 

Der Wald wurde lange als Segen für Natur, Umwelt und Klima gesehen, kann er diese Nachhaltigkeit noch erfüllen? Und was empfehlen Sie unseren Lesern: Sollen Sie beim Hausbau und als Energieträger auf Holz als nachwachsenden Rohstoff setzen?

Ja, der Wald kann das, und wir setzen alles daran, ihn auch für den Klimawandel fit zu machen. Holz aus Baden-Württemberg wird nachhaltig produziert, es ist ein klimafreundlicher Baustoff, und der Erlös unterstützt die Waldbesitzer beim Umbau der Wälder hin zu mehr Klimastabilität. Gerade deshalb empfehle ich jedem – vor allem beim Hausbau – auf Holz zu setzen. Es ist regional gewachsen, hat während seines Lebens vielfältige Funktionen erfüllt und dient uns auch danach noch als gesunder, nachhaltig nutzbarer Rohstoff. Auch als Energielieferant ist Holz ein guter Ersatz für fossile Brennstoffe und eine gute Ergänzung zum Beispiel in Niedrigenergiehäusern.

 

Autor: Roland Reck

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