BLIX Banner1

Zell - Es sind aufgetürmte Paletten, die zwischen Rot und Zell in den Höfen von vier großen Holzwerken dem Vorbeifahrenden ins Auge stechen. Der Geruch von frisch gesägtem Holz liegt in der Luft. Am Rand des kleinen Ortes, etwas versteckt, findet sich die Zimmerei Kaiser. Im Hof gurren Brieftauben, in der Halle sind Holzbauten in Reih und Glied, die aussehen wie kleine Gartenhäuser. Nur irgendwas ist anders, die verwinkelten Konstruktionen, der Maßstab und die komplizierten Konstruktionen. Ein ganz unregelmäßiges Gewirr aus vielen Hölzern. Ein visueller Kontrast zu den exakt aufgestapelten neuen Paletten an der Hauptstraße.

Wir treffen Philipp Kaiser, 23 Jahre alt und Vize-Weltmeister der Zimmerer. Trotzdem, dass der Wettbewerb schon über einen Monat zurückliegt, er fand vom 11. bis 14. Oktober in Basel statt, verspürt Philipp noch das Adrenalin, wenn er an den 24-stündigen Wettkampf denkt, bei dem er eine sehr komplizierte Konstruktion bewerkstelligen musste. In der Zimmerer-Halle stehen viele solcher „Gartenhäuser“. „Das sind alles ehemalige Wettbewerbsaufgaben“, erklärt der Zimmermann. Es müssen extrem verwinkelte Werkstücke hergestellt werden, die möglichst kompliziert und schräg sind. „Das ist weit über dem Niveau von Meisterprüfungen, es geht um pure Geometrie. Dazu ist das räumliche Vorstellungsvermögen entscheidend“, sagt Philipp Kaiser. Schon immer hat er die Geometrie und Mathematik geliebt. Beim Aufwachsen in der Zimmerei hat er schon viele Dachstühle entstehen sehen. Und gespielt hat er an einer Kinderhobelbank.

 

IMG 0046 be

Philipp Kaiser in seinem Modell, das er zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft der Zimmerer konstruierte. Es war nicht umsonst! Mit 23 Jahren wurde er beim Wettkampf in Basel Vizeweltmeister seiner Zunft. Fotos: Reichert

 

Beim internationalen Wettbewerb in Basel musste er 24 Stunden extrem präzise und schnell arbeiten. Das waren vier mal sechs Stunden mit Zuschauern und Preisrichtern im Genick. Da darf kein Fehler passieren, „nur wenn meine zeichnerischen Lösungen stimmen, passen die Stücke zusammen“. Philipp ist seit 2018 Mitglied der deutschen Zimmerer-Nationalmannschaft. Mit Kameraden zusammen wird nach der Arbeit trainiert, für Freizeit ist kein Platz. Die nächsten Ziele sind schon ins Auge gefasst, Meisterprüfung und in ein paar Jahren die Führung des Betriebs.
Und natürlich gibt es auch einen Weltmeister, der kommt aus Korea und heißt Jaeho Song. Den zweiten Platz teilt sich Philipp Kaiser mit dem Südtiroler Marcel Bolego.

 

Da ist kein Sparren locker

Es sind die vielen verwinkelten Verbindungen, die exakt stimmen müssen, die der junge Zimmermann bewerstelligen musste.

 

Wie geht die Ausbildung?

Das erste Jahr ist Vollzeitschule, für Philipp war das in Biberach, nach seinem Realschulabschluss in Ochsenhausen. Um gut in diesem Beruf zu sein, sollte ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen vorhanden sein und in diesem Beruf gilt: „schaffe mögen“. Auch junge Leute, die handwerksfern aufgewachsen sind, weiblich oder männlich, können gut sein, entscheidend ist der Wille, weiß Philipp. Es sei immer das menschliche räumliche Vorstellungsvermögen entscheidend, „selbst wenn Computerprogramme die Maße des Dachgebälks auf den Millimeter genau liefern und der Abbund auf einer CNC-Anlage gemacht wird.“ Der Beruf ist zukunftssicher, auch weil die Holzbaukultur in Süddeutschland geschätzt wird. In Baden-Württemberg gibt es pro Jahrgang rund 800 Auszubildende, in Sachsen deutlich weniger. Das Zimmererhandwerk zu lernen, ist eine gute Alternative zum Studium. „Wenn andere gerade erst ins Erwerbsleben kommen, wird ein Zimmermann es schon zu etwas gebracht haben“, ist Philipp sicher, „also schon mal Werte geschaffen, Meisterprüfung hinter sich und vielleicht schon ein eigenes Haus und Familie bis man dreißig ist.“ Und Philipp ist spätestens dann bereit, die Zimmerei Kaiser in Zell bei Rot an der Rot weiter zu führen. Wer Paletten braucht, wird genug davon bei den Spezialfirmen in Rot an der Rot und in Zell finden. Für die komplizierteren Holzkonstruktionen sorgt Philipps Zimmerei.

 

Autor: Johann Reichert

 

­