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Ochsenhausen - BürgerEnergiegenossenschaften gibt es schon seit Jahren, derzeit kommen aber viele neue dazu. Möglicherweise auch bald in Ochsenhausen.

Im Rahmen der alljährlich stattfindenden Energiewendetage Baden-Württemberg veranstaltete die Stadt Ochsenhausen in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Bildungswerk am 22. September einen Vortrag zum Thema „Energiewende gestalten mit einer Bürger-Energiegenossenschaft“. Zahlreiche Interessierte wollten wissen, wie eine BürgerEnergiegenossenschaft (BEG) kommunale und regionale Energieprojekte mit erneuerbaren Energien planen und umsetzen kann.
Elisabeth Strobel, Verbandsvorsitzende der BEGs in Baden-Württemberg (VBBW) berichtete sehr praxisnah und verständlich von den Erfahrungen der 72 BEGs mit 19.500 Mitgliedern im Land. Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) sei sehr unkompliziert und flexibel, sie fördere die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Mitglieder. Ihre Organe sind Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung. Dabei hat jedes Mitglied eine Stimme, egal, wie viele Anteile es zeichnet. Die Höhe der Anteile wird von der jeweiligen Genossenschaft selbst festgelegt (zum Beispiel 100 Euro), auch eine Höchstbeteiligung kann festgelegt werden (zum Beispiel 100 Anleihen). Anders als ein Verein benötige eine Genossenschaft als Wirtschaftsunternehmen ein professionelles Management. Strobel erklärt, dass Interessierte bei der Gründung einer BEG auch seitens ihres Verbandes viel Beratung und Unterstützung bekämen. „Ich will Sie begeistern dafür, sich auf den Weg zu machen. Wenn nicht jetzt, wann dann?“, schloss sie ihre Ausführungen.


Kein Wohltätigkeitsverein

Ko-Referent Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender der BEG Riss eG, berichtete von seinen langjährigen Erfahrungen. „Eine BEG ist auf die Breite angelegt und will vor Ort einen Beitrag zur Energiewende leisten“, betonte er. „Unsere Mitglieder dürfen und sollen eine Rendite haben, wir sind kein Wohltätigkeitsverein.“ Müller merkte an, dass die Aktivitäten einer BEG die Attraktivität des Wohnorts steigern und vielerorts einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz von Projekten leisten. Als mögliche Projekte nannte er Photovoltaik-Anlagen, obwohl die nach den vielen Erneuerbare-Energien-Gesetz-Novellierungen nicht mehr so lukrativ seien. Strom würde sich vor allem für den Eigenbedarf, etwa von Kindergärten eignen, nur der Überschuss ginge ins Netz. Beliebt seien derzeit PV-Anlagen auf Parkflächen statt auf Ackerland. Bei Wasserkraft gebe es oft hohe Auflagen (wie etwa Fischtreppen), Windkraftwerke seien meist „eine Nummer zu groß“ für eine BEG. Engagieren könne man sich aber bei Biomasse-Anlagen (etwa Holzhackschnitzel) oder Energieeffizienz. Als Erfolgsmodell nannte er hier den Betrieb von energie-effizienten Straßenlampen in Warthausen durch eine BEG. Möglich sei auch ein Engagement im Bereich Carsharing oder Nahwärme-Anlagen (wie etwa in Äpfingen). Beliebt seien auch die Vorträge der BEGs, Besichtigungsfahrten zu innovativen Projekten, die Ausbildung von Energie-Coaches und vieles mehr.
Als Erfolgsmodell nannte Müller die BEG Riss eG, 2010 von 66 Mitliedern in Maselheim gegründet, mittlerweile nahm sie Warthausen mit auf. Erstes Projekt sei damals eine PV-Anlage auf der Grundschule gewesen, mittlerweile habe sie sechs PV-Anlagen, eine Beteiligung an einer großen PV-Freiflächenanlage, ein Blockkraftheizwerk und eine Wasserkraftanlage in Biberach, nach der Ehrenamtliche regelmäßig schauten. Man habe 1,66 Mio. Euro investiert, ein Bilanzgewinn von 196.000 Euro nach zwölf Jahren könne sich sehen lassen, ebenso eine durchschnittliche Dividende von 3,8 Prozent. Der erzeugte Strom reicht für 326 Haushalte pro Mitglied habe man jährlich 10,6 Tonnen CO2 eingespart.
Müller schätzte, dass durch Versicherungen, Jahresabschlüsse, Pflichtmitgliedschaft bei der IHK, Prüfungskosten vom Verband etc. eine Anlage sich ab etwa 100 kWp lohne. Die Maßeinheit Kilowattpeak (kWp) bezeichnet die maximale Leistung von Photovoltaikmodulen unter Standardbedingungen. Ein Zuhörer meldete sich begeistert: „Ich habe furchtbaren Appetit, so was zu machen“. Er wolle zu einem Treffen aufrufen und auch „den Gemeinderat mitnehmen“. Bürgermeister Andreas Denzel betonte, dass Ochsenhausen auch bisher schon sehr aktiv gewesen sei, etwa alle öffentlichen Gebäude ans Nahwärmenetz angeschlossen seien. Er sicherte einer möglichen BEG seine volle Unterstützung zu. Demnächst sind weitere Veranstaltungen zum Thema Energiewende geplant, etwa „Strom vom Balkon“.
Info: www.bildungswerk-ochsenhausen.de, mehr über die Klimaziele des Landes unter www.energiewende.baden-wuerttemberg.de.

 

INFO: "Wir waren Pioniere"

Norbert Schomborg engagiert sich seit Jahren fuer erneuerbare Energie in Ummendorf

Norbert Schomborg engagiert sich seit vielen Jahren für erneuerbare Energie in Ummendorf.

BürgerEnergiegenossenschaften leben von sachkundigen Menschen, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Wie dies etwa Norbert Schomborg aus Ummendorf jahrelang tat. Er berichtet im Gespräch mit BLIX, dass bereits 2010 in der Ummendorfer Turnhalle 56 Menschen die Bürgerenergiegenossenschaft Ummendorf (BEGU) gründeten. Erstes Projekt war die Errichtung einer PV-Anlage auf dem Dach der Grundschule mit 30 kWp. Eine zweite mit gleicher Kapazität folgte. „Damals bekam man 30 Cent pro Kilowatt“, erinnert sich der pensionierte Mathematik-Lehrer. Bei der großen Zahl von Mitgliedern war der zu erledigende bürokratische Aufwand groß, die Mitglieder freuten sich alljährlich über eine dreiprozentige Ausschüttung. Die BEGU plante sich auszuweiten mit einem Blockheizkraftwerk. Das Projekt Nahwärme scheiterte jedoch an der angekündigten Kürzung der Zuschüsse. Nach sieben Jahren wurde die BEGU liquidiert, den Mitgliedern war das Risiko zu groß. Nach dem Verkauf an die Gemeinde Ummendorf bekamen sie deutlich mehr zurück, als sie eingelegt hatten.

Ein anderes Projekt, an dem Schomborg maßgeblich beteiligt war, startete im Herbst 2000 als „Interessenverband Windkraft Ummendorf“. Schon im April 2001 lag den 60 Mitgliedern der KG ein positiver Bescheid  auf die Bauanfrage vor, der Eintrag ins Handelsregister folgte. „Bereits am 25. Oktober 2001 hatten wir den Roten Punkt“, erinnert sich Schomborg. Am 28. Januar 2001 ging die Windanlage ans Netz. “Durchschnittlich 999.918 kWh lieferte unser Windrad 20 Jahre lang. 10.525 Tonnen CO₂ konnten dadurch eingespart werden.“ Zahlreiche Reparaturen fielen an, aber die Anlage war bald schuldenfrei. Als die Anlage nach zwanzig Jahren aus der  Bindung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) fiel, die eine feste Einspeisevergütung garantierte, hätte man sich einen Direktvermarkter suchen müssen. Die 60 Teilhaber, Durchschnittsalter mittlerweile 72 Jahre, scheuten den Aufwand. Sie bekamen schließlich mit 1,25 Prozent Zins ihre Einlagen zurück. „Es war ein Nullsummenspiel“, bilanziert Schomborg. Felix Hörnle, ein Landwirt aus Häusern, der auch eine Biogas-Anlage betreibt, kaufte das Windrad des Typs NEG-Micon-52/900 zwischen Häusern und Buschhorn, das mit nur knapp 100 Metern Höhe nach heutigen Maßstäben winzig ist. Norbert Schomborg bereut nicht die viele Arbeit, die er in die Ummendorfer Energieprojekte gesteckt hat. Er resümiert: „Wir waren Pioniere einer Entwicklung, die geeignet ist, die Klimakatastrophe abzuwenden: die Nutzung von Wind und Sonne.“ 

 

Text und Fotos: Andrea Reck

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