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Bad Schussenried - Felix Groß’ Vorgänger, Georg Jehle, sprach vor drei Jahren gegenüber BLIX von „Kriegsgräber“, die verschwinden müssten. Gemeint waren die so genannten Wuchshüllen, die aus Plastik in Reih und Glied massenhaft den Wald verunstalten. Seitdem sind drei Jahre vergangen und der Leiter des Forstbezirks Oberland Felix Groß erklärt, warum Förster immer noch Plastik nutzen, um kleine Bäume zu schützen. Immer noch. Aber jetzt soll Schluss sein. Geht doch!

 

Herr Groß, wie viele der so genannten Wuchs­hüllen und -netze werden pro Jahr durchschnittlich in Ihrem Forstbezirk eingesetzt?

Circa 20.000, überwiegend Wuchshüllen.


Warum benötigen Sie den Einsatz von so viel Plastik im Wald?

Der Umbau von Fichtenbestände nach Sturm oder Käfer oder nach aktivem Einschlag, um den beiden erstgenannten zuvor zu kommen, in klimastabilere Laubwälder ist mit hohem Aufwand verbunden. Der Forstbezirk Oberland ist seit Jahren einer der Forstbezirke, in dem die meisten Pflanzen aktiv gesetzt werden. Diese Pflanzen müssen vor Verbiss durch Rehe und vor Konkurrenzvegetation geschützt werden. Die Wuchshüllen erfüllen gleichzeitig beides, den Schutz gegen Verbiss sowie gegen Konkurrenzvegetation. Außerdem entsteht in ihnen ein gewisser Gewächshauseffekt, dadurch kommen die jungen Pflanzen schneller aus dem Bereich des Bodenfrostes heraus, was den Anwuchserfolg deutlich steigert.


Ist es nicht ein Widerspruch, ‚naturnahen Waldbau‘ zu reklamieren unter Einsatz von einer Unmenge an Plastik?

Der Widerspruch ist nicht wegzudiskutieren. Allerdings wollen wir klimastabilere Wälder aufbauen, der dazu notwendige Baumartenwechsel erfolgt insbesondere auch in Richtung Eiche. Die Eiche ist bei uns recht rar, das Rehwild verbeißt sie gerne, sie ist in der Jugend nicht sehr frosthart und der Konkurrenz im Wuchs teilweise unterlegen. Die Wuchshülle ist in dieser Umbauphase trotz ihrer Nachteile insbesondere bei kleineren Flächen das Mittel der Wahl.


‚Wald vor Wild‘ ist seit langem die jagdliche Leitlinie im Staatswald, weshalb Rehe sehr intensiv bejagt werden, und trotzdem kommen immer mehr Plastikhüllen zum Einsatz. Ein offensichtlicher Widerspruch?

Nein, durch die vergleichsweise niedrigen Wildbestände bekommen wir mehr Naturverjüngung als früher und können auch bei den meisten gepflanzten Baumarten auf einen Schutz verzichten. Aber insbesondere bei der Eiche gelingt das aktuell nicht überall, obwohl wir sie in einigen Bereichen auch ohne Schutz verjüngen.


Wie erfolgt die Entsorgung der Plastikhüllen, nicht nur deren Entfernung?

Die Entsorgung erfolgt über den Wertstoffhof, nach meiner Kenntnis werden sie aber nicht recycelt, sondern thermisch verwertet.


Gibt es keine umweltfreundlichere Alternative als der Einzelschutz aus Plastik und muss im Zweifelsfall nicht umweltfreundlich vor betriebswirtschaftlich gehen?

Es gibt Alternativen für die Verbissschutzfunktion aus Holz, auch Zäune sind prinzipiell möglich. Diese Möglichkeiten schützen aber nicht vor Konkurrenzvegetation und auch nicht vor Spätfrost. Auch wenn diese Alternativen nicht wesentlich teurer sind, so müssen die Pflanzen doch aufwändiger und länger gepflegt werden. Beides ist natürlich auch mit höheren Kosten verbunden.


Wäre Duldsamkeit gegenüber der Natur – ohne Einsatz von Plastik im Wald – nicht der naturnähere und klimafreundlichere Waldbau?

Grundsätzlich ist es immer besser und auch wirtschaftlicher, mit der Natur zu arbeiten. Im Wald bedeutet dies, dass wir soweit als möglich auf Naturverjüngung setzen. Durch strukturierte gemischte Wälder, die stabil sind und in denen möglichst keine großen Freiflächen entstehen, nutzen wir den Schatten, um das Wachstum auf die gewünschten Baumarten zu lenken und den Druck der Konkurrenzvegetation zu vermeiden. Mit der Fichte haben wir aber auf großen Flächen eine Baumart etabliert, deren Aussichten in allen Klimaszenarien äußerst düster sind. Wie die Kalamitäten der letzten Jahre gezeigt haben, wird der Verlust der Fichte zügig voranschreiten. Wir können diese Bestände daher nicht langsam in klimastabilere Wälder überführen, dazu fehlt die Zeit, es fehlen aber auch die geeigneten Samenbäume, um es die Natur richten zu lassen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Fichtenbestände so planmäßig wie möglich umzubauen. Dazu müssen wir pflanzen, und die gepflanzten Bäumchen brauchen einen gewissen Schutz. Die Wuchshülle war bisher ein anerkanntes Mittel und das wird sie für viele Waldbesitzende absehbar bleiben. ForstBW wird aber dieses Jahr zum letzten Mal Wuchshüllen ausbringen. Ab dem nächsten Jahr werden wir auf Kunststoffe beim Waldschutz verzichten, auch wenn dies den ohnehin großen Aufwand für den Waldumbau nicht verringern wird.

 

Autor: Roland Reck

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