Ummendorf - Das Kreisimpfzentrum des Landkreises Biberach in Ummendorf nahm Anfang Januar seinen Betrieb auf. Für Tausende Impfberechtigte ein Ort der Hoffnung, sich vor dem tückischen Virus schützen und ein wenig Normalität zurückerobern zu können. Und wie erleben die Mitarbeitenden den Alltag im Ausnahmezustand?
Mit zwei Krücken kämpft sich die beleibte Frau mittleren Alters von der Registrierung weiter zum Wartebereich vor den Kabinen, in denen Ärzte Fragen zur Impfung beantworten. Als sie ihre Tasche abstellt, bricht ein Henkel. Ich biete an, die Tasche mitzunehmen und zwischen Aufklärungs-Kabinen und Impfbereich abzustellen. Nicht schlecht staune ich beim Anheben der schweren Last. Es handelt sich um Sixpacks mit Bierflaschen der Marken Corona und Astra. Lachend erzählt die gehbehinderte Dame, dass sie sich beim ersten Impftermin spaßhalber beschwert habe, dass man keine Getränke bereithalte. Das Impf-Team vom Roten Kreuz habe mit dem Zaunpfahl gewinkt, man könne ja auch etwas anliefern. Das habe sie sich nicht zweimal sagen lassen und bringe heute das Feierabendbier mit. Kurz zuvor hatte mir bereits eine Dame, die aus Friedrichshafen angereist war, eine Tüte Süßigkeiten bei der Registrierung „für die fleißigen Kolleginnen und Kollegen“ auf den Tisch gelegt.
Dankbarkeit überwiegt
Wobei die „alten Hasen“, die seit Januar im Impfzentrum arbeiten, berichten, dass die Hochbetagten, die zu Beginn priorisiert waren, häufiger „Schoklädle“ mitgebracht hätten. Aber auch noch am Pfingstmontag sagt ein 25-Jähriger beim Verlassen der Registrier-Kabine vor der zweiten Impfung: „Vielen Dank an alle, dass ihr hier immer so unglaublich freundlich seid.“ Dankbarkeit überwiegt bei den Menschen, die ins Impfzentrum kommen. Manche sind sichtlich aufgeregt und haben ein wenig Angst vor der Impfung und deren möglichen Nebenwirkungen, doch die meisten sind froh, endlich dran zu sein. Das Team ist bemüht, Ängste zu nehmen und sorgt für Orientierung, in dem es die Impflinge (so der offizielle Terminus) von Station zu Station begleitet. Von „unseren Gästen“, spricht der Leiter des Impfzentrums Gerd Romer bei der Einarbeitung eines Dutzends neuer Servicekräfte Anfang Mai. Er, bisher Sachgebietsleiter beim Landwirtschaftsamt Biberach, kümmert sich um die Verwaltung.
Die Servicekräfte sind auf Zeit angestellt beim Landratsamt Biberach. Sie kommen aus unterschiedlichsten Berufen. Teilweise sind es Studierende, viele aber üben Berufe aus, die während der Corona-Pandemie einfach nicht gefragt sind. Sie arbeiten in der Gastronomie, im Reisebüro oder im Einzelhandel. Ähnlich wie ich, die ich sonst als Reiseleiterin mehrere Wochen im Jahr für einen Trekkingreise-Veranstalter in Afrika unterwegs bin, sind manche als Freiberufler nicht finanziell abgesichert, einige fallen bei den Corona-Hilfen durchs Raster. Sie wollen eine sinnvolle Arbeit leisten und Geld verdienen.
Mit viel Enthusiasmus sind sie bei der Arbeit. Ein junger Kollege etwa verbreitet so gute Laune, dass ich ihn frage, ob er sonst als Entertainer arbeite. „Ich bin Tanzlehrer“, strahlt er. Er vermisse seine Arbeit sehr, versuche aber das Beste aus der Situation zu machen. Das gelingt ihm sehr zur Freude der Kollegen und Besucher.
Gemeinsam im Einsatz: Andrea Reck mit Ehemann Dr. Johannes Reck. Das Landratsamt stellt die Servicekräfte, die Kassenärztliche Vereinigung die Ärzteschaft.
Begleitung von Station zu Station
Auch wenn das Impfzentrum mangels Impfstoffen Ende Mai noch nicht Volllast fahren kann, sind täglich außer sonntags rund vier Dutzend Mitarbeitende in der Gemeindehalle zugange. Neben den Beschäftigten des Landratsamtes ist auch ein Sicherheitsdienst vor Ort, müssen doch die Impfstoffe Tag und Nacht bewacht werden und mögliche Protestaktionen von Impfgegnern pariert werden. Wie die anderen Servicekräfte hatten die Mitarbeiter von Thomas Ruf ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen. Nur ein einziges Mal stand eine Gruppe von Impfgegnern vor dem Eingang, aber natürlich muss man gewappnet sein.
Der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes unter Leitung von Bruno Mader, pensionierter Sozialwirt und Fachpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin, organisiert bis Anfang Juni die Fachkräfte, die impfen und sich um die Nachbetreuung im Wartebereich kümmern. Kommt es doch gelegentlich zu einer allergischen Reaktion oder Kreislaufproblemen. Sie übernahmen auch die Erstversorgung einer Dame, die nach einem unglücklichen Sturz von der Empore des Wartebereichs ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen selbstredend die Ärztinnen und Ärzte, die den Impflingen zu einem Aufklärungsgespräch zur Verfügung stehen, im Impfpass die Verabreichung der Vakzine dokumentieren und mit ihrer Unterschrift bestätigen. Je nach Andrang weisen manche angesichts einzelner recht leerer Uralt-Impfpässe schon mal darauf hin, dass man sich beim Hausarzt um die Auffrischung von Standard-Impfungen kümmern möge. Dazu gehören Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Kinderlähmung, Grippe und Lungenentzündung sowie im Risikogebiet Süddeutschland die Impfung gegen FSME (Zecken). Medizinischer Leiter des Kreisimpfzentrums ist Dr. Jobst Isbary, der frühere ärztliche Direktor der Kreisklinik Biberach.
Da mit großem finanziellem und organisatorischem Aufwand in ganz Baden-Württemberg leistungsfähige Impfzentren aufgebaut wurden, erstaunt es doch sehr, dass es immer wieder Engpässe bei den Impfstofflieferungen gibt und stattdessen Hausarztpraxen mit der Impfung belastet werden. Bedauerlich auch, dass die Vereinbarung von Impfterminen von Anfang an schwierig war. Die Terminvergabe über die Telefonnummer 116 117 und www.impfterminservice.de erforderte sehr viel Geduld und förderte den Impftourismus durchs gesamte Ländle. Die Meldung „Es wurden keine freien Termine in Ihrer Region gefunden. Bitte probieren Sie es später erneut. Sobald genügend Impfstoff und die entsprechenden Kapazitäten vorhanden sind, werden die Impfzentren weitere Termine einstellen“ verärgerte die Impfwilligen. Die ständig geänderten Priorisierungen, die sich in Impfzentren unterschieden von den Hausarztpraxen, sorgten vollends für Verwirrung. Nachdem in Ummendorf bis Mitte Mai bereits 24.700 Erstimpfungen und 12.200 Zweitimpfungen mit dem mRNA-Impfstoff BioNTech und dem Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca durchgeführt worden sind, werden am Pfingstmontag die ersten Impflinge am Eingang mit einem gelben Papierstreifen am Arm versehen. Das steht intern für den Vektorimpfstoff Johnson &Johnson, der nur einmal gespritzt werden muss. Vereinzelt tauchen in den sechs Registrierkabinen auch die silbernen Streifen von Moderna auf, dem zweiten mRNA-Impfstoff.
Professionell und freundlich
Bis zu sechs Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig stehen im Impfzentrum für Fragen der Impfwilligen bereit und klären auf über Nutzen und Risiken der Impfung. Viele Gäste nutzen diese Möglichkeit ausgiebig. Bei der Zweitimpfung behauptet schon mal einer, er brauche nicht mehr zum Arzt, da er ja aus dem Internet schon alles wisse. Ist dann aber doch gewillt, vor der Beratungskabine kurz zu warten, um auch seine Zweitimpfung durch ärztliche Unterschrift und Stempel dokumentiert zu bekommen.
Die meisten Gäste sind beeindruckt von der Professionalität und Freundlichkeit des Servicepersonals. Umso mehr verwundert es, als ein Mann im Rentenalter, der bereits in der ersten Reihe vor den Aufklärungs-Kabinen wartet, vorwurfsvoll auf seine Armbanduhr klopft und meint: „Mein Impftermin ist um 10.25 Uhr, jetzt ist schon halb elf!“ Dabei hat er Check-in und Registrierung bereits absolviert und wird wenige Minuten später seine Impfung erhalten. Amüsant zu sehen, dass er im Beobachtungsraum hinter den Impfkabinen reichlich Zeit hat, sich mit einem zufällig getroffenen Bekannten zu unterhalten.
Von Mitte Januar bis Anfang Juni konnten rund 50.000 Impfungen verabreicht werden, alleine am 2. Juni, wenige Tage vor dem Wegfall der Priorisierung, werden 898 Gäste immunisiert. Wobei das Impfzentrum mangels Impfstoffen immer noch nicht voll ausgelastet ist. Eigentlich könnten 5300 Impfungen pro Woche gegeben werden, Mitte Juni liegt die Auslastung bei 60 bis 70 Prozent.
Am 10. Juni fragt fast jeder Gast, ob er wie in den Medien berichtet, im KIZ den vom Gesundheitsministerium angekündigten digitalen Impfnachweis erhalten kann. Seit 14. Juni bekommen vollständig Geimpfte im Impfzentrun den QR-Code ausgedruckt, bereits zuvor Geimpfte erhalten ihn vom Land automatisch per Post.
Der Kreistag lobte in seiner Sitzung am 11. Juni die Arbeit des Impfzentrums und beschloss, dessen Betrieb bis maximal 30. September fortzusetzen.
Text und Fotos: Andrea Reck