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Altdorfer Wald - Der Altdorfer Wald ist Heimat für viele und als solches auch Kristallisationspunkt für vielerlei Konflikte, die sich alle um die Zukunft und die Frage drehen „Wie wollen wir leben?“. Nicht irgendwo, sondern hier in der Heimat. BLIX wollte von Menschen in und um den Altdorfer Wald wissen, was es auf sich hat mit diesem seltsamen Begriff: „Heimat, was ist das und welche Bedeutung hat sie für Sie?“ lautete die Frage.

 

Veränderung ist zwingend notwendig 

Charlie Kiene, 21, Umweltaktivistin, geboren in Ulm

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„Beim Begriff ‚Heimat‘ klingeln bei mir erstmal alle Alarmglocken, denn mit diesem Wort assoziiere ich Lokalpatriotismus und rechtes Gedankengut. Gibt es überhaupt so etwas wie ‚Heimat‘ oder ist der Begriff ein Konstrukt, welches erbaut wird, um einen Anspruch auf Zugehörigkeit an einem bestimmten Ort zu erheben? 
Besonders jetzt, wo in Oberschwaben die Diskussion um Windkraft aufkommt, fällt der Heimatbegriff wieder oft, da Menschen plötzlich um ihre schöne Natur fürchten und der Meinung sind, dass ihre Heimat nicht für die Energieproduktion herhalten soll, sondern mal wieder lieber an anderen Orten Natur ausgebeutet werden soll, um den endlosen Wachstumshunger zu stillen. Dass an Orten im globalen Süden Menschen nicht nur das Konstrukt ‚Heimat‘ verlieren, sondern schlicht ihre Lebensgrundlage, vergisst man dabei bereitwillig. 
Mit dem Argument ‚Heimat‘ wird immer eine Ablehnung von Veränderung gerechtfertigt. Alles soll so bleiben wie es schon immer ist. Aber wie soll das gehen, in einer Welt, in der wir Verantwortung übernehmen müssen und Veränderung zwingend notwendig ist?

 

Heimatschutz geht nur global

Samuel Bosch, 20, Aktivist und Waldschützer, geboren in Weingarten

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„Heimat ist ein Ort, an den ich immer wieder gerne zurückkehre, mit dem ich mich besonders verbunden und verwurzelt fühle. Mir ist es auch sehr wichtig, die Gesellschaft um mich herum zu gestalten und das stetige ‚Weiter so‘ zu hinterfragen und alte Muster zu verändern.Ausschließlich den Schutz der eigenen Heimat im Auge zu haben, ist meiner Meinung nach eine sehr egoistische Perspektive, da unser Wohlstand auf der Zerstörung der Heimat von Menschen im globalen Süden basiert. Heimatschutz geht nur global und durch das Abschaffen der Überflussgesellschaft hier in Europa und im globalen Norden. Auch in Oberschwaben bekommen wir in Form von sinkendem Grundwasser und Hitzesommern langsam eine Rechnung für unser Verhalten. Der Altdorfer Wald, in dem ich seit über zwei Jahren die meiste Zeit lebe, ist zu einem vertrauten und schützenswerten Zuhause geworden. Ich bin dort sehr verbunden mit der Natur und den Menschen. Es macht mir Angst, dass die Pläne zur Zerstörung des Waldes für eine weitere Kiesgrube und damit die Gefährdung der Trinkwasserquellen an dieser Stelle vorgesehen sind. Ich hoffe. dass wir es schaffen, den Wald zu retten.
Dennoch sind diese Probleme nur winzig im Gegensatz zu den Problemen, die wir gerade im globalen Süden verursachen. Das macht mir große Sorgen, und ich kann nicht zusehen ohne mit den Aktionen meinen Beitrag für eine lebenswerte Welt, Heimat und die Klimagerechtigkeit zu leisten.
Das was ich tun kann, möchte ich tun!

 

Heimat ist vor allem ein Gefühl

Harald Sievers, 47, Landrat im Landkreis Ravensburg, geboren in Münster/Westfalen

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„Heimat ist für mich dort, wo ich gerne bin und gerne bleibe – also vor allem ein Gefühl. Dieses Gefühlt entsteht, wenn man angenommen ist, sich gegenseitig hilft, bestärkt, unterstützt, versteht, wenn man sich gemeinsam freut und miteinander lacht.“

 

Heimat ist eine bestimmte Zeit

Dr. Tanja Kreutzer, 40, Museumsleitung Bauern­haus-Museum Wolfegg, geboren in Augsburg

Tanja Kreutzer vor dem Blaserhof im Museum Foto Alina Schellinger

„In meinem Beruf beschäftige ich mich viel mit dem Thema ‚Heimat‘ und damit, was das für die Menschen hier bedeutet. Unsere Besuchenden finden Heimat oft in der Erinnerung an eine kollektive Vergangenheit. Von den Einzelschicksalen der Bewohnerinnen und Bewohner unserer historischen Bauernhäuser, die wir im Museum ausstellen, können viele Gäste Parallelen zu ihren eigenen Familiengeschichten ziehen. Die Einrichtung der Häuser entspricht vielleicht dem, woran sie sich selbst aus ihrer Kindheit erinnern. Heimat ist für viele also nicht unbedingt an einen bestimmten Ort gebunden, sondern oft auch an eine bestimmte Zeit.
Für mich persönlich, die ich in meinem bisherigen beruflichen Leben schon recht oft an anderen Orten gelebt habe, ist Heimat ganz entscheidend an die Menschen gebunden, die mir vertraut sind und mit denen ich gemeinsame Erinnerungen teile. Sofern diese Menschen bei mir sind, kann ich eigentlich überall auf der Welt schnell zuhause sein. Eine Rolle spielt für mich außerdem die Sprache: In Oberschwaben habe ich mich zum Beispiel recht schnell zuhause gefühlt, weil der Dialekt sich nicht so sehr von meinem Augsburger Schwäbisch unterscheidet.

 

Heimat ist Vertrautheit und Zumutung

Peter Renz, 76, Schriftsteller, geboren in Wein­garten

Foto rr 2015

„Man kann auf Dauer nicht leben ohne das Gefühl, einen Ort zu haben, an dem man daheim ist“, schreibt der oberschwäbische Schriftsteller. Dabei geht es Peter Renz nicht um die gemütliche Wohnküche. „Heimat ist ein Gefühl. Seine Herkunft verdankt sich der Summe an Erfahrung, die wir in unserer Kindheit und Jugend mit Landschaft und Menschen unseres Lebensraumes gemacht haben“, behauptet der Heimatforscher. „Heimat ist nicht nur ein Ort, sondern auch eine besondere Art zu leben.“ „Heimat ist beides“, resümiert der gebürtige Weingartner: „Vertrautheit und Zumutung“. Das kann vermutlich nicht jeder nachvollziehen, weil es nur dem Kritiker bekannt ist, der Widerspruch wagt und provoziert, doch in der Feststellung, dass man sich des Heimatgefühls erstmals bewusst wird, wenn man die Heimat vermisst, wird jeder zustimmen, der schon einmal an Heimweh gelitten hat.
Peter Renz ist Oberschwabe und betrachtet als „kritisch Liebender“ diesen Landstrich zwischen Alb und Bodensee. Als Liebender schwärmend und als Beobachter kritisch. Denn was ihm am Herzen liegt, sieht er bedroht. Es geht um die Eigenarten der Landschaft und ihrer Menschen, die unter dem Normierungsdruck der Globalisierung verloren zu gehen drohen. Davor warnt Renz und fordert zum Widerstand auf. Denn, so erklärt er, „Heimat ist ein Geschenk“, um das es zu kämpfen lohnt. 

Cover

 

 

 

 

 

 

Peter Renz: Heimat. Ausflug in ein unbekanntes Land. Klöpfer & Meyer, Tübingen 2015

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