Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Nerven liegen blank, so scheint es. Es ist der 24. Februar, und es herrscht ein Jahr Krieg in der Ukraine. Und während dort gestorben wird, leben wir in einer „Zeitenwende“. Angespannt, aber immer noch komfortabel. Ratlos, aber immer noch hilfsbereit. Aber wie helfen? Notwendig und sinnvoll: Hilfe für Geflüchtete, Spenden gegen die Not vor Ort. Aber was tun gegen den Krieg? Waffen liefern, welche und wie viele?
JournalistInnen stellen Fragen in der Hoffnung, plausible Antworten zu finden zur Information ihrer Leserinnen und Leser oder ihrer ZuschauerInnen. PolitikerInnen stehen dabei besonders im Fokus, geht es in Kriegszeiten bei ihren Entscheidungen doch um mehr als nur um eine Steuererhöhung. Es geht um Leben und Tod. Dementsprechend intensiv sollten die (Nach-)Fragen sein.
Dabei kam es jetzt nach fast 20 Jahren BLIX zu einer Kollision, die bemerkenswert ist. Was tun, wenn eine Politikerin nach einem langen Gespräch, das wortwörtlich aufgezeichnet wurde, das Gesagte, das selbstverständlich nur in Auszügen Verwendung finden kann, für null und nichtig erklärt und untersagt, damit zitiert zu werden? Es sei denn, sie „autorisiert“ das Gesagte erneut und zwar im Kontext des Artikels. Das bedeutet in der Konsequenz, wenn der Kontext ihr nicht gefällt, zieht sie ihr Zitat zurück und verhindert damit eine unliebsame Berichterstattung. Dem zu folgen, würde bedeuten, dass Kritik nur mit Erlaubnis möglich ist. Die Folge wäre eine zensierte Berichterstattung oder gar keine.
Das Terrain ist schlüpfrig, weil Journalismus und Politik eng miteinander zu tun haben, in gewisser Weise aufeinander angewiesen sind und sich daraus eine „Zusammenarbeit“ herausgebildet hat, die nicht in jedem Falle zum Vorteil der LeserInnen gereicht. Oder gar zu deren Lasten geht, wie der Philosoph Precht und der Soziologe Welzer in ihrem Buch „Die 4. Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird“ kritisieren.
Das ist die Theorie, wir haben es mit der Praxis zu tun, und die macht mir zu schaffen. Denn letztlich empfinde ich es auch als ein Angriff auf meine Professionalität, wenn ein Büroleiter mir droht, die „Zusammenarbeit“ einzustellen. Das ist ein übles Foul, denn Zensur fängt ja nicht erst dort an, wo einer den Rotstift oder gleich die Rote Karte zückt, sondern funktioniert in den meisten Fällen viel, viel subtiler, aber nicht weniger wirkungsvoll.
BLIX hat diesbezüglich eine Geschichte. Ich weiß, wovon ich rede, wenn ich darüber schreibe. BLIX kam vor 20 Jahren auf die oberschwäbische Welt, weil zuvor die Chefredaktion der Schwäbischen Zeitung einem erbosten Kommunalpolitiker zu Kreuze kroch und mir die Rote Karte zeigte. Damals war es ein CDU-Landrat, heute ist es eine grüne Bundestagsabgeordnete. Der Unterschied: damals hatte ich einen unfähigen Chef.
Autor: Roland Reck