Biberach -  Im Landkreis Biberach ist von intensivem Ackerbau über ausgeprägte Grünlandregionen bis zur Landschaftspflege in Süddeutschlands größtem zusammenhängendem Moorgebiet, dem Federsee, große Vielfalt geboten. Liegt der landwirtschaftliche Schwerpunkt auf der Nutztierhaltung, gibt es doch immer mehr Projekte im Bereich der Direktvermarktung. Weitere Bereiche sind Sonderkulturen und Tourismusdienstleistung. Aber der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen im Landkreis liegt mit 6,6 Prozent unter dem Landesdurchschnitt von 9,6 Prozent. Noch. 

Logo BIO MusterregionDie gut 100 Bio-Betriebe im Landkreis werden zu 46 Prozent im Haupterwerb bewirtschaftet. Dieser Wert liegt deutlich über dem Landesschnitt (38 Prozent), wie auch deren Fläche von rund 50 Hektar. Für die Produktion gibt es entsprechende Abnahmestrukturen und Wertschöpfungsketten, überwiegend führen die bestehenden Wertschöpfungsketten aber aus dem Kreis hinaus. So fehlt es zum Beispiel an Verarbeitern im Landkreis: Bei den Bäckern gibt es einige, die Bio-Mehl verarbeiten, doch Biofleisch aus Metzgerhand sucht man hier fast vergeblich. Hier möchte das Projekt verstärkt anknüpfen und diese Bereiche weiter ausbauen. Die Wertschöpfungskette bezieht alle Akteure, die an der Wertschöpfung eines Produktes beteiligt sind, mit ein: vom Acker bis zur Ladentheke.

Ein großes, aktuell noch weitgehend unerschlossenes Marktpotenzial wird von den regionalen Akteuren im Bereich der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) gesehen. Zum Beispiel bei der Schul- und Kindergartenverpflegung, im Kreis-Berufsschulzentrum und vielen Kantinen der großen regional ansässigen Firmen aber auch bei der regionalen Gastronomie. Die Rindfleischvermarktung ist ein wachsendes Problem, das durch Kooperationen mit Partnern im AHV-Bereich sowie durch neue Produkte der Region verbessert werden soll. 

Wie wird der Landkreis seiner Rolle als neue Musterregion nun gerecht? „Ein eigenes Budget haben wir nicht zur Förderung der Betriebe“, erklärt die Regionalmanagerin der Bio-Musterregion Biberach Carola Brumm vom Landwirtschaftsamt in Biberach im Gespräch mit BLIX. Die Siebenundzwanzigjährige arbeitete nach ihrem Studium des Naturraum- und Regionalmanagements in Rottenburg ein Jahr in Thüringen in einem Bundesprojekt im Bereich Landschaftspflege und Umweltbildung. „Jetzt arbeite ich daran, die verschiedenen Akteure wie Landwirte, handwerkliche Verarbeiter, regionale Vermarkter und Verbraucher zusammenzubringen, um die Bio-Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung in unserer Region nachhaltig zu stärken.“ 

Hackstriegel zur Unkrautbekämpfung ohne chemische Spritzmittel Foto Landwirtschaftsamt

Hackstriegel zur Unkrautbekämpfung ohne chemische Spritzmittel. Foto: Landwirtschaftsamt

Als Beispiel nennt sie eine Initiative aus dem Hohenlohe-Kreis, wo eine Bruder-Kalb-Vermarktung unterstützt wird. Ähnlich also wie bei den männlichen Küken, die zunehmend als Bruder-Hahn davor bewahrt werden, geschreddert zu werden. Carola Brummer erläutert: “Meist wird nicht bedacht, dass für Milch, die wir trinken, Kalbfleisch produziert werden muss. Bio-Kälber müssen geboren werden um Milch gewinnen zu können. Die weiblichen Bio-Kälber werden als Milchkühe aufgezogen, für die männlichen Kälber aber gibt es kaum einen Markt. Diese landen dann fast immer unter Wert in einem konventionellen Mastbetrieb. 

Um den Anteil der biologischen Landwirtschaft zu erhöhen müsse man nicht nur die Landwirte beraten und begleiten. Im Landkreis gibt es einige Landwirte, die nicht abgeneigt sind, jedoch fehlt ihnen eine gesicherte Abnahme durch die Verarbeiter. Diese wiederum nehmen den Landwirten keine größeren Mengen ab, da sie selbst nicht mehr absetzen können. Der Markt ist gesättigt, an der Nachfrage fehlt es vor allem bei Bio-Milch. So soll das Ziel einer höheren Anzahl an biologisch wirtschaftenden Betrieben von vielen Seiten her betrachtet und angestoßen werden. „Es bringt ja nichts, wenn die Landwirte biologische Produkte erzeugen, die ihnen keiner abkauft. Deshalb ist neben der Entwicklung regionaler Wertschöpfungsketten auch die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit für Verbraucher und Landwirte ein Arbeitsschwerpunkt. Darunter fallen die Weiterentwicklung von Beratungs- und Bildungsstrukturen in und außerhalb der Landwirtschaft, der Ausbau der Wissens- und Bewusstseinsbildung für nachhaltiges Konsumverhalten, ökologische Wirtschaftsweisen und ökologische Zusammenhänge bei Verbrauchern und Landwirten. Coronabedingt sind derzeit leider keine Veranstaltungen möglich. Zum Beispiel sind wir aber momentan dabei, Fahrradrouten für Familien im Landkreis zu erstellen, auf denen verschiedene Stationen, also Bio-Landwirte mit Weiden, Hofläden oder Felder zum Selberpflücken liegen“, erläutert Carola Brumm. 

Im Herbst gibt es einen Kochkurs bei der Biberacher Ernährungsakademie zum Thema „Regional genießen mit Bio-Gemüse“ plus Hofbesichtigung und Gespräch mit dem Landwirt. Ziel ist es generell, die Akteure der Region zu vernetzen, zu erreichen, dass möglichst viele in der Bio-Branche mitmachen. 

Vier andere Bio-Musterregionen im Ländle gingen bereits ein Jahr vor Biberach an den Start und haben schon etwas Vorsprung. So entstand bei der (Bio-Musterregion) BMR Bodensee das Projekt „Hegaukorn“: Bauern arbeiten mit einer Mühle zusammen, um bioregionales Mehl für Verbraucher und Bio-Braugerste bereitzustellen. In der Heidenheimer Region wurden in Zusammenarbeit einiger Landwirte und der dortigen BMR „bioregionale“ Regale im Lebensmitteleinzelhandel aufgebaut. Solche Projekte sind auch in Biberach denkbar. Deshalb hat die Regionalmanagerin immer ein offenes Ohr für Ideen, Projekte und regionale Akteure,  die sich einbringen möchten oder Partner für ihr Vorhaben suchen. Kooperationspartner des Projektes in Biberach sind der Kreisbauernverband und die Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau. Zusammen mit Vertretern dieser Vereinigungen und vielen regionalen Akteuren werden wir in den nächsten Jahren die biologische Landwirtschaft fördern und die Verfügbarkeit der regionalen Bio-Produkte aus dem Landkreis erhöhen. 

Neben den Bereichen Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung spielen auch die Themen Biodiversität, Streuobst und Ressourcenschutz eine wichtige Rolle. Als praktisches Beispiel ließe sich hier die Initiierung einer Sammelzertifizierung im Streuobst nennen: Private Besitzer können ihre Streuobstwiese bio-zertifizieren lassen und bekommen mehr für ihr Obst. Dies soll zum Erhalt dieser besonderen Kulturlandschaft beitragen. Ein anders Beispiel: drei Musterbauernhöfe für Biodiversität werden in Ochsenhausen, Unlingen und Bad Buchau eingerichtet.   www.biomusterregionen-bw.de

 

Autorin: Andrea Reck